Montag, 30. Mai 2016

Sempre cosi

Für diese italienische Aussage gäbe es wohl hundert Übersetzungen. - Vor allem aber wenn ein musikalisches Ohr die diversen Untertöne einordnen kann.
Auf der Burg könnte sempre cosi gerne als "alles beim Alten" übersetzt werden. Der Borgo ändert sich nicht mehr so schnell, wie draußen in der Welt das Leben tobt. Aber davon darf sich niemand täuschen lassen.

Denn sempre cosi kann auch Resignation und Traurigkeit bedeuten. So, wie wenn bayrische Milchbauern je nachdem, ob sie aus dem Allgäu oder Oberbayern kommen angesichts der Milchkrise "dahoam sterba d'Leit" oder "passt scho!" sagen.

Das Alter hinterlässt Spuren bei jeder Nation, die auf dem Borgo Zuflucht gesucht hat. Ein Freund und Nachbar - ohne den unser Haus niemals so schön geworden wäre - ist überraschend am Herzinfarkt gestorben. Ein Jung-Unternehmer vom oberen Dorf, den wir an heißen Tagen um seinen Pool beneidet haben, verkauft in der Pleite. Der kleine drahtige Francesco, der mich vor ein paar Jahren noch zur Seite geschoben hatte, als es galt, eine sperrige Granit-Platte in die Küche zu wuchten, kann das Haus nicht mehr verlassen. Seinen Diabetes hat der Mitachziger auf die zu "leichte Schulter" genommen und die Knie versagen ihren Dienst. Ohne Knie ist man jedoch beim Treppauf-Treppab hier oben aufgeschmissen. Das hat auch der altersmilde gewordene, einst böse Burggeist Don Marino zu spüren bekommen. Die raffgierige Verwandtschaft kann es Gerüchen nach gar nicht erwarten, ihn zu beerdigen. Versorgt ihn aber so lange noch hingebungsvoll, denn er gilt  als einer der reichsten Männer der Gemeinde.

Nur noch Haut und Knochen ist er ein noch lebendes Beispiel, dass wir beim Sterben nichts mitnehmen können. Don Marino verfügt vor allem über viele Faschen Oliven-Haine. Die sollen trotz des Befalls durch die Oliven-Fliegen im vergangenen Winter das beste Öl des letzten Jahrzehnts geliefert haben. Wir können es gar nicht erwarten, bis der Neffe der "Seelen-Sammlerin" uns einen Kanister vom Neuen liefert.

Don Marino hat auch mehrere Häuser hier im Borgo. Es wird also noch mehr Schilder mit "vendesi" geben, wie ohnehin schon. Die heranwachsenden Kinder der ausländischen "Retter-Generation" haben im Hier und Jetzt - wenn sie denn überhaupt noch großzügig Urlaub machen können - andere Präferenzen, als sich mit Ferien-Immobilien zu belasten.

Die Italienische Post nimmt das schon vorweg. Sie hat auf der Burg nicht nur den Briefkasten außer Betrieb gestellt, sondern auch die Außenstelle im "capo luogo". Gerade die Alten, die ja keinen Computer-Zugang haben, müssen also ins Tal, wenn sie Briefe aufgeben oder Überweisungen vornehmen wollen.

Unsere unbezahlbare Postina jedenfalls fragt immer, ob sie etwas mitnehmen soll. Aber wie lang hören wir noch ihre glockenhelle Stimme? Denn beim "Posta! Posta!" hören wir sie ganz schön schnaufen. Ihr feuerroter Pumuckel-Schopf täuscht nicht darüber hinweg, dass sie mit uns anderthalb Jahrzehnte älter geworden ist...

Eines ist aber klar, das sempre cosi kann eben auch Immerwährendes zum Ausdruck bringen. Wie immer hat uns unser Haus mit seiner Einmaligkeit willkommen geheißen. Wir genießen den herrlichen Kontrast zum Stadtleben - auch wenn das Alter allgegenwärtig ist. So bald unser Enkel trittsicher ist und die gleichzeitig geborenen Kinder der Menschen,die wir haben heranwachsen sehen, ihn begleiten, kommt wieder Leben in die Gassen. Es wird nicht come sempre sein, aber das Leben geht eben so oder so weiter...

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