Freitag, 27. Mai 2016

Schiffe versenken

Das schlechte Gewissen wird uns nachgetragen. Weil quasi immer noch Vorsaison ist und die Liegegebühren im alten Hafen von Oneglia noch günstig sind, liegen die Mega-Jachten mit ihren Hecks  zahlreich an der Zona Divertimento. Ein krasserer Kontrast ist kaum vorstellbar:

In der Sonne sitzen in gefüllten Restaurants Einheimische und  Touristen und lassen es sich schmecken. Dazwischen schleichen mit vorgestreckten Käppis zunehmend dunkelhäutige Bettler.
Sie haben für den Moment wohl die charmanteren Schirm-Verkäufer aus Sri Lanka verdrängt. Welche parasitäre Organisation da wohl wieder im Hintergrund wirkt?...

Schon auf dem Markt waren sie mir verstärkt aufgefallen. Einer drängte sich mir an einem Stand regelrecht auf. Als mir ein Geldstück herunterfällt und ich es umständlich aufheben muss, hält er mir seine Kappe erneut recht drastisch unter die Nase. Als wolle er sagen: Du kaufst hier üppig ein und wirfst dein Geld fort, während ich hier hungern muss. Natürlich lasse ich die zwei Euro in seine Kappe fallen.

Wenigstens hat er später im Restaurant von unserer Lieblings-Wirtin Carlotta den Anstand, uns auszulassen und sogar nett zu grüßen.

Aber offenbar hat er  den Kollegen gesteckt, dass bei uns etwas zu holen ist, denn es gelingt uns kaum, die Gabel zum Mund zu führen, ohne dass wir von der Seite angeraunt werden.Meine Frau hat tatsächlich für jeden ein Geldstück.

Wie machen die Italiener das mit dem Ignorieren?
Schräg neben uns sitzen zwei ältere Paare und nutzen ein Angebot, das Carlotta schon immer auf ihren Einweg-Sets angeboten hat: Da sind Kästchen und Spielanleitung für das Spiel "Schiffe versenken" drauf gedruckt. Und über Kreuz spielen die Paare - jeweils abgedeckt durch hochgestellte Servietten - in einer Intensität, die keiner der Bettler zu stören wagt.

Schiffe versenken am Hafen - im Banne riesiger Jachten. Das hat ja schon etwas Revolutionäres.

Wenig später erübrigen sich jegliche Gedanken dieser Art. Wir begegnen dem jungen Afrikaner in der Fußgänger-Zone wieder, wie er derart herzhaft in ein Sandwich beißt, wie es nur jemand vermag, dem Hunger ein steter Begleiter ist.

Mit vom Mittagessen gefüllten Bäuchen ist das kaum nachzuvollziehen. Aber als langjährige Wähler und Steuerzahler - nun auch in und für Europa - haben wir das Recht, unser schlechtes Gewissen an die abzuschieben, denen wir das Chaos zu verdanken haben.

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