Montag, 10. Oktober 2022

Die Ungnade der späten Geburt

 Wenn es dem Redenschreiber von Helmut Kohl eingefallen ist, ihm den mittlerweile historischen Fehltritt von der "Gnade der späten Geburt"  ins Manuskript zu schreiben, dann sei es mir gestattet, ihn umzudrehen. Was übrigens auch nicht viel mehr Sinn ergibt. Denn gegenwärtig empfinde ich nichts als Dankbarkeit, dass ich zur ersten Generation  Deutscher gehöre, die über sieben Jahrzehnte keinen Krieg vor ihrer Haustür erdulden musste. Aber diese Dankbarkeit vermischt sich mit der Angst, dass es für meine jüngeren Familienmitglieder vielleicht nicht so weiter geht.

Joseph Conrad
1857 . 1924
Deshalb muss ich jetzt auch diese verschwiemelte Überschrift erklären: Schon vor der Pubertät habe ich mit dem Schreiben begonnen und kaum Anerkennung dafür bekommen. Weil meine Orthografie so miserabel war, hat es in Deutsch immer nur für ein "Befriedigend" oder "Ausreichend" gereicht. Als ich nach der Schule wie durch ein Wunder plötzlich textsicher wurde und sogar damit Geld versdiente, war es aber schon zu spät für die epochalen Erzählungen, die mir seit Kindesbeinen durch die Reise-Erlebnisse mit meinen Eltern vorschwebten. Als ich selbst zu einem Reise-Reporter auf den Spuren meiner Autoren-Vorbilder Joseph Conrad, Somerset Maugham und dem geisterhaften B. Traven wurde, waren diese Felder in einer abenteuerlicheren Zeit längst
Somerset Maugham
1874 - 1065
von ihnen abgegrast worden Die Welt war ja im ständigen Wandel und dadurch war ich stets zu spät dran. Ich konnte ja nur noch  in Momentaufnahmen Anstoß geben für jene, die sich solche Reisen dank des Welt umspannenden Tourismus leisten konnten. Scherte ich einmal aus dem Reportagen-Stil mit literarischen Ambitionen aus, fielen meine Texte sofort in Ungnade. Ja, die damals noch papierenen Manuskripte wurden mir sogar regelrecht um die Ohren gehauen.

B. Traven
1882 - 1069
Quelle: alle Bilder wikipedia
Auch als ich selbst die einmalige Gelegenheit bekam, ein Jahrzehnt lang eine Zeitschrift für anspruchsvolles Reisen nach meinem Gusto zu redigieren, musste ich mich oft genug dem Herausgeber und den Verlegern gegenüber erklären. Am Ende dieses Jahrzehnts folgte ein anders, dass die Medien-Landschaft komplett durchmischte. Und wieder ein Jahrzehnt später begann durch den Aufstieg der elektronischen Medien das Zeitungs- und Zeitschriftensterben. Dass Print im Prinzip tot ist, wird wohl auf Dauer die Smartphone-Generation besiegeln...

Und wisst ihr was? Den sozialen Medien bin ich dankbar, dass ich am Ende meiner Schreiberei doch noch publizieren darf ,was ich will. Als Roman-Autor werde ich zwar nicht mehr in Erscheinung treten, aber ich erreiche Euch,- meine treue und erstaunlicher Weise immer noch wachsende Leserschaft - mit meinen Blogs. Und so betrachtet, passt auf mich alten Schreiberling die  "Gnade der späten Geburt" viel besser.

Alle Jahre wieder macht der Blogger jetzt wieder beim Ortswechsel ein paar Tage Pause. Ab dem 19. Oktober schmeißt er wieder - so die Vorsehung dies gestattet - alle Steine aus dem Glashaus, die den Sommer über dort liegen geblieben sind.

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