Montag, 21. Juni 2021

Es ist so schwer, kein Trottel zu sein

Manche meiner geneigten Leser:Innen sind wohl imstande, sich an die Verleihung meiner Lizenz zum Vertrotteln vor einiger Zeit zu erinnern: 070. Es ist leicht, sich über sich selbst lustig zu machen, wenn man glaubt, nur annähernd betroffen zu sein. Aber "tempus fugit"

Meine Etappe beim Herfahren verlief ja noch sehr harmonisch und störungsfrei. War ja auch erstaunlich wenig Verkehr. Der Trottel-Teufel schlug erst bei der Ankunft zu, obwohl uns ja die halbe Nachbarschaft beim Hochschleppen half. Insbesondere meine älteste Freundin und ihr Mann hatten ja schon Vorbereitungen getroffen. Aber die verwirrten uns eben schon beim Sicherungskasten. Die Küche war stockdunkel, weil ich immer noch die geschliffe Fernsicht-Sonnenbrille vom Autofahren auf der Nase hatte, ohne es zu merken. Ich legte alle Sicherungsschalter um: kein Strom! Hatten wir die letzte Rechnung nicht bezahlt? Die Fürsorglichste aller Ehefrauen raste zur Nachbarin rüber. Die kam kopfschüttelnd, legte wieder alle Schalter um, und siehe da: Es ward Licht, der mannshohe Kühlschrank begann auch freundlich zu brummen, aber das ohnehin schon wohl temperierte Haus bekam in ein paar Minuten Sauna-Appeal.

- Die widerstandsfähigste alle durch die Pandemie geplagten zu Zweisamkeit verurteilten Lebensfrauen hatte den Heizungs- statt des Knopfes für die Warmwasser-Versorgung gedrückt. Immerhin wissen wir jetzt, dass wir kuschelige Herbstmonate mit funktionierender Heizung verbringen werden, wenn die Hitzewelle mal vorbei ist und die nächsten Quarantäne-Bestimmungen uns hier zum Überwintern einkerkern.

Acht Monate Abwesenheit davon sechs im Lockdown alleine können es aber nicht gewesen sein, dass uns das Ankommen diesmal so nervös gemacht hat. Wir lassen eben langsam aber sicher nach, sind aber noch nicht bereit, unser Tempo runter zu fahren. Deshalb haben wir uns jetzt die Devise ausgegeben: Erstmal in Ruhe ankommen und den Kulturschock, den der Ortswechsel nach dem Wegsperren auslöst hat, verdauen.

Nachdem wir bei der Hitzewelle in München trotz des auch nachts andauernden Straßenlärms alle Fenster geöffnet hatten, ließ mich die absolute Stille und Finsternis hier nach dem längsten Tag des Jahres einfach nicht schlafen. Meine Gedanken stürzten vom Hundertsten ins Tausendste, und für einen Moment dachte ich sogar, die Burg hätte ihren Zauber für mich verloren...

Aber es gibt ja auch ein Morgen: Mit einer Riesentasse traf ich meine Schweizer Freundin zur ersten Sozialisation auf der Piazza-Bank. Die Musik-Professoren, die die Flora unseres kleinen Platzes in unserer Abwesenheit offenbar mit der Nagelschere gepflegt hatten, trösteten uns damit über den Diebstahl unseres Blumen-Engels hinweg. Das anderthalb Zentner wiegende Teil bei Nacht und Nebel ohne Aufsehen abzutransportieren, war wohl der pandemischen Ruhe im Borgo geschuldet.

Vier Jahrzehnte und drei Umzüge hat er uns
begleitet. Vielleicht bekehrt ja
unser Garten-Engel seine neuen "Besitzer"

Ugo der Bewahrer, dem ich so manche Zeile meines Blogs gewidmet hatte, ist weit in den 90ern von uns gegangen. Einige Burggeister meinen, dass es seither in der Nachbarschaft knirscht und Ressentiments wieder an Boden gewinnen. Aber das glaube ich nicht. Gelegenheit macht Diebe, und es ist wohl eher so, dass Corona in Italien merkwürdige Widersprüchlichkeiten generiert. Die alten Damen beim Tratsch im Lebensmittel-Laden verdächtigen ja sogar Geimpfte, sie seien ansteckend. Die Schweizerin hatte nach ihrer zweiten Dosis "Moderna" die gleichen Nebenwirkungen wie meine  Frau: Kopfschmerzen, Schwindel und Schüttelfrost für drei Tage. Unser Frantoio muss noch zwölf Wochen auf seine zweite Dosis AstraZeneca warten. Den Professori hat man nach einer Grippe im Winter geraten, mit dem Impfen bis Herbst zu warten. Die Gemeinde hat heute einen Mitarbeiter durchs Dorf geschickt, wohl um zu erfassen, wer und wie viele die Häuser hier oben aktuell bewohnen. Innerhalb des Borgos trägt kaum noch jemand Maske, aber die Angst vor der Delta-Variante ist auch in den hiesigen Nachrichten spürbar, obwohl die anstehen Lockerungen im Kultur-Betrieb die Nachrichten beherrschen...

Wie ich geahnt habe, wird uns das Thema trotz der schönen Sommertage im Herbst wohl wieder weiter beschäftigen.

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