Donnerstag, 21. April 2011

Kater und Katzenjammer

Allein unter Katzen                      Oil on Canvas
                                  

Katzen haben es gut hier auf dem Burgberg. Die meisten von ihnen leben ohne feste Bindung und müssen dennoch - auch in kalten Wintern - nicht darben. Denn in einigen der verwaisten Häusern gibt es immer mal ein Kellerfenster, das offensteht, und in dem ein Ballen zusammengelegter Olivennetze ein kuscheliges Lager bietet.
Mäuse gibt es genug, und barmherzige Seelen stellen schon mal ein Schälchen Milch vor die Tür.

Seit die Hunde gemäß Gemeindeverordnung an der Leine geführt  und ihre Verdauungshinterlassenschaften sofort entsorgt werden müssen, sind die Katzentiere die unbestrittenen Herrscher des Borgo.Was sie mittlerweile - sehr zum Leidwesen der Hundenasen - dazu veranlasst, ihre Duftmarken umso intensiver  überall zu hinterlassen. Die Alteingesessenen versuchen das Pinkeln gegen ihre Haustüren dadurch zu verhindern, dass sie mit Wasser gefüllte Plastikflaschen zur Ablenkung an den strategischen Stellen postieren. Ob es wirklich hilft, darf  bezweifelt werden, denn ab Ende März scheint die Rolligkeit von Jahr zu Jahr zuzunehmen. Die Kater-Essenzen veranlassen einen Katzenjammer in den Gassen, der nächtens widerhallt, als würden kleine Kinder ermordet...

Weshalb die Katzen dennoch nicht überhand nehmen, liegt an der strikten Geburten-Kontrolle durch unsere bäuerlichen Nachbarn, die neue Würfe ihnen vertrauter Katzen-Mamas rigoros in Wasserstellen außerhalb des Ortes ersäufen. So können die Überlebenden der Selektion allerdings voll ihren Katzen-Individualismus ausleben, und das machen sie zum Teil so geschickt, dass selbst ausgesprochene Hunde-Liebhaber wie ich ihren Charme-Offensiven erliegen.

Das sprichwörtlich zänkische Zusammenleben von Hund und Katze findet hier kurioser Weise nicht statt. Auch an der Leine wissen die einheimischen Hunde genau, dass sie gegen die im Straßenkampf geschulten Katzen keine Chance hätten. Und die Ferien-Hunde lernen dies nach ihrer ersten blutigen Schnauze. Ich habe selbst einmal am eigenen Hund erlebt, wie sich ein mageres Straßenkätzchen in einen kratzenden Feuerball von doppelter Größe verwandeln kann...

Da die menschliche Einwohnerschaft größten Teils überaltert ist, geraten nach Sterbefällen auch Hauskatzen in die Obdachlosigkeit. Dann beginnt das Ritual, mit dem die Katzen ihre Menschen adoptieren. Alljährlich werden wir auf der Piazza von drei bis vier belagert, konnten aber bislang widerstehen. Aber wir beobachten mit viel Freude, wie sie bei anderen erfolgreich sind. Eine wunderschöne Orangefarbene hat sich ausgerechnet unsere Nachbarin ausgesucht, die einen Freund hat, der Katzen nicht mag. Da kommt es zu Hartnäckigkeistproben. Seither hat die Katze sich angewöhnt, ihrem adoptierten Frauchen direkt an der Ferse hinterher zu laufen, wie ein trainierter Hund. Das klappt!

Eine Tierarzthelferin, die nach 50 Jahren das erste Baby hier oben geboren hatte, wurde trotz ihres bildschönen Deutschen Schäferhundes gleich von meheren Katzen adoptiert. Der Riesenhund zog friedlich mit den Kätzchen und der Hochschwangeren durchs Dorf. Der Friede war allerding vorbei, sobald das Kind auf der Welt war, und der Pastore Tedesco (so heißt die Rasse auf Italienisch - Deutscher  Hirte und nicht etwa Deutscher Pfarrer) in seine instinktive Beschützer-Rolle verfiel.

Die schönste Adoption widerfuhr allerdings in diesen Tagen unserem ziemlich kranken, schüchternen und dadurch auch einsamen Nachbarn. Ein schmalbrüstiges, semmelgelbes Kätzchen, das es vorzieht, über unsere Dächer zu streifen, statt durch die Gassen zu schleichen, sprang in seine Wohnung auf der dritten Etage und blieb. Seither sieht man den Mann mit ihr beim gemeinsamen Sonnenbad auf der Piazza. Er ist so kommunikativ geworden, dass er einen neuerdings im Supermarkt schon mal freundschaftlich anstupst. Und wer hätte jemals gedacht, den ansonsten sehr sparsamen Vicino mit einer Vorratspackung vom nicht gerade billigsten Katzenfutter den Berg hochstapfen zu sehen.

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