Sonntag, 10. April 2011

Die Geschichte vom goldenen Gecco

Goldgecco                             Oil on Canvas
   


Die Tage werden länger und die Nächte kürzer. Schon im Morgennebel hebt ein Gesumme an, das man in der übrigen Lautlosigkeit fast schon als Lärm empfindet. Die Gecco-Familie, die in den Pausbacken unserer Brunnenmaske von den Ruffolo-Gärten überwintert hat, kriecht nach und nach aus der schmollenden Mundöffnung, wärmt sich in den ersten Sonnenstrahlen und nimmt - kaum sind ihre Körper halbwegs warm - die Jagd nach dem Gefleuch auf. Der Speisezettel ist mannigfaltig, und der Beobachter glaubt geradezu, er könne den Kugelköpfigen dabei zusehen, wie deren Bäuche langsam anschwellen.
Auf unsere Terrasse in ihrem gewohnten Revier verzichten die  Geccos meist darauf, ständig ihre Farbe zu wechseln - wie sie dies zum Selbstschutz und zur Tarnung beispielsweise auf der Piazza tun. Deshalb ist ihre unterschiedliche, mitunter äußerst dekorative Zeichnung auch so überraschend:
Lampenschwarz mit gelb umrandeten blauen Tupfern oder rote Sprenkler wie Blutstropfen auf einem silbergrauen Anzug. Keiner ist wie der andere gemustert, obwohl sie doch eigentlich irgenwie alle miteinander verwandt sein müssten...

Da fällt mir eine Geschichte ein, wie sie mir unsere Nachbarin Angelina bestimmt erzählt hätte. Das über 90jährige Engelchen hat sich im letzten Sommer aus unserer Dorfgemeinschaft verabschiedet, indem sie vom ersten Stock auf die Vicolo Colombo gesprungen ist, weil sie ihren über 80jährigen Geschwistern - die sie zur Sicherheit eingesperrt hatten -bei der Gartenarbeit helfen wollte. Das hat ihr Körper in der Folge natürlich nicht mehr verkraftet. Sie starb einige Tage später im Provinzkrankenhaus: Der erste und letzte Ortswechsel in ihrem langen Leben. Ins Altersheim gehen hier die wenigsten, deshalb erreichen die meisten auch ein gesegnetes Alter. Bis zu ihrem Sprung rannte Angelina noch erstaunlich behende durch die Gassen, klopfte an alle Türen und erzählte mit rollenden Augen und der Körpersprache einer Eleonora Duse spannende Geschichten, die nur die wenigsten verstanden, weil sie sie im unverfälschten ligurischen Dialekt deklamierte.

Da war - wenn ich sie richtig verstanden habe - also dieser kleine Gecco, der eines Morgens transusig auf eine frische Kupfer-Dachrinne geklettert war, obwohl ihn seine Eltern dringend gewarnt hatten, das nicht zu tun. Ohne, dass er es groß bewusst  beeinflussen konnte, nahm er die rotgoldene Farbe des Kupfers an und ward fortan zum Symbol von Wohlstand und Reichtum in der Gecco-Gemeinde. Weil sich Gold in der Gecco-Haut nunmal nicht mehr zurückwandeln lässt, leuchtete er nun von morgens bis abends. Wozu hatten ihn wohl die Eltern so nachhaltig gewarnt?

Jedenfalls kamen die Geccos von überall aus dem Kastell, um ihren Artgenossen zu bestaunen. Der kleine Gecco sonnte sich in ihrer Aufmerksamkeit und ließ seine güldene Haut stolz  das Sonnenlicht in alle Himmelsrichtungen reflektieren...

Es dauerte nicht lang, da fand auch ein Elstern-Pärchen gefallen an diesem Geglitzer, und jeder weiß, was Elstern mit Glitzerkram so alles anstellen.

Die Moral von der Geschicht? - Ich mag sie nicht!

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