Freitag, 30. August 2024

Wenn sich die Alten ausblenden

Meine Frau und ich waren beide eine Zeit lang auf unterschiedlichen Wegen politisch aktiv. Doch während ich dem zunehmend wirrer werdenden Tagesgeschehen auch heute noch intensiv folge, zieht sich die Fürsorgliche - vor allem hier oben - komplett aus den weltweiten Nachrichten zurück.
Quelle: freepik
Wer sich isoliert, verliert

Stattdessen fragt sie mich jeden Vormittag bei unserem späten Frühstück, wie denn die Nachrichten-Lage sei. Das regt mich zunehmend auf, weil ich dadurch ja quasi als Filter missbraucht werde. Aber ich will ja auch, dass sie gänzlich desinformiert bleibt. Wenn ich sie dann aber für ihre Ignoranz tadle, begegnet sie mir mit mit ihrem Standardspruch:

"Ich kann's ja sowieso nicht ändern!"

Hat sie am Ende etwa recht? Müssen wir uns nach einem langen "Überlebenskampf" den täglichen Horror von sich häufenden Messer-Attacken, von Bombenterror, narzisstischen Politikern, Umweltkatstrophen und menschlichem Versagen weiterhin geben, um dann auch noch an der immer diffuseren, täglichen Berichterstattung von unverständlichen Kriegen hängen zu bleiben?

Wir werden in den europäischen Gesellschaften zwar immer älter und sorgen dafür, dass die soziologische Alterspyramide bald auf der Spitze steht. Aber gleichzeitig  wird unser Einfluss auf die Geschehnisse immer geringer - es sei denn wir strebten in unserem Alter noch wie diese wirre Autokraten die Weltherrschaft an. Allein an der Renten-Diskussion  ist das allenthalben zu erkennen. Aber auch die "Entwicklungshilfe" für unsere Kindeskinder, die ja eigentlich das sich ständig von selbst erneuern müssende Fundament der Soziodemographie sichern sollten, wird stetig vernachlässigt.

Die Politik - so scheint es mehr denn je - wird allein für die gemacht, die "noch im Geschäft" sind. Niemand steuert ernsthaft gegen die drohenden Veränderungen auf unserem Planeten an; seien sie soziologisch, klimatisch oder wirtschaftlich. Weil - wie immer in der Geschichte - nur das Aktuelle und das politische Tagesgeschäft zählt - und nicht etwa seine Auswirkungen auf die Zukunft jedes Individuums. Wir werden so lange wir leben,  mit.  den Nachrichten auf Kurzzeit-Wahrnehmung getrimmt. Aber wie verschafft uns das eine qualifizierte Zukunftsperspektive für unsere Nachkommen?


Wenn die Alten sich ausblenden, überlassen sie ihre Stimmen anderen, die vermeintlich gar nicht ihre Interessen wahren wollen oder können. Wenn Alte aufhören, sich detailliert schlau zu machen, werden sie zunehmend OPFER von Parolen und Politik einfachster Strickmuster.

"Was interessiert es mich, wenn in Peking ein Fahrrad umfällt", hieß es in meiner Jugend. Heute wissen wir im Bruchteil von Sekunden, weshalb es umgefallen ist, von welchem Hersteller es stammt und was aus dem Besitzer geworden ist. Ein paar Minuten später übernimmt dafür womöglich eine radikale E-Auto-Lobby die Verantwortung, aber niemand berichtet über den, der das Fahrrad wieder ordentlich hingestellt hat...

Was macht dieser Nachrichten-"Blitzkrieg" mit unserem Mitfühlen mit der seelischen Leidensfähigkeit? Er lässt uns abstumpfen, und macht uns hilfloser je älter wir werden. Steckt da etwa auch ein Kalkül dahinter?

Was ich mit Blick auf die Entwicklung der Alterspyramide bis 2060 meine? Wir alten Schafe sind schon zu alt für die Schlachtbank. Aber ihr Lämmchen! Blickt mal an den Influencern  in euren Smartphones vorbei in die Welt, wie sie ist. Fallt bloß nicht auf Tageserfolge und kernige Versprechen herein. Die wollen doch alle am Ende nur eure Koteletts!
Auch wenn wir im Jetzt leben, muss auch die Zukunft der Kommenden gleichermaßen zählen.

Quelle: TAZ


So lange wir nicht nur für uns alleine denken, können auch wir Alten noch immer zusammen die Zukunft lenken!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen