Donnerstag, 5. September 2024

Von Schatten, die Väter werfen

Als es um meine Berufswahl ging, hatten meine Eltern noch ein gewichtiges Wort mitzureden. So geschah es, dass sie zweimal meinen Wunschweg durchkreuzten, bevor ich die damalige Volljährigkeit mit 21 überhaupt erreicht hatte.
Beim ersten Mal war ich live dabei, als ein italienischer Regisseur, der mich auf einer Probebühne für einen Kinofilm gecastet hatte, samt meinem Schauspiel-Lehrer meinen Vater anrief, um mir die Rolle anzubieten. Nicht nur, dass er meine Leidenschaft - nachdem ich gerade das Gymnasium geschmissen hatte - für "brotlose Kunst" hielt. Als er die Rollenbeschreibung hörte, schrie er entrüstet in den Hörer: "Mein Sohn spielt keinen Nazi!" und knallte ihn auf die Gabel.

Vom zweiten erfolglosen Versuch, etwas anderes zu werden als Verlagsbuchhändler, erfuhr ich erst, als ich mit 30 tatsächlich Chefredakteur von gleich zwei Zeitschriften geworden war. Sie hatten zehn Jahre zuvor meinen Versuch, von der Pieke auf mit Volontariat Zeitungsredakteur zu werden, durch einen Besuch beim Verleger abschlägig beschieden. Er hatte sie pflichtgemäß vom beabsichtigten Lehrstellten-Wechsel ihres noch minderjährigen Sohnes informieren wollen, weil ich seine erste Wahl war. - Meinen Eltern hatte die politische Ausrichtung des Provinz-Blattes nicht gefallen...

Mit 30 wurde ich aber auch zum ersten Mal Vater. Und deshalb schwor ich mir, meine Kinder freigeistig zu erziehen und jedes ihrer Talente mit allen Mitteln zu fördern. Vor allem aber wollte ich mich auch aus ihren beruflichen Wünschen herauszuhalten, wenn es soweit sein sollte.
Meine Tochter und mein Sohn verfügten über hervorragende Singstimmen, deshalb nahmen sie das Angebot eine Gesangslehrerin aufzusuchen auch gerne an. Hinzu kam, dass sich mein Sohn autodidaktisch Musik-Instrumente beibrachte und für sich und "For the Boys in the Band" einen Raum zum Proben brauchte. Also räumte ich meine Werkstatt im Keller und ließ sie ein schalldichtes "Mini-Studio" daraus machen. Meine  Tochter absolvierte aussichtsreich einen Vorbereitungskurs für die Akademie, entschied sich dann aber für die legendäre Designer-Schule "U5".

Von klein auf waren sie ja auch dabei gewesen, wenn ich Familien-Urlaub mit meinen Reportage-Zielen kombinierte. 
Als sie mit dem, was sie bis dahin an Erfahrungen und Ausbildung erfahren hatten, immer noch auf keinen bestimmten Beruf zu schlingerten, war ich in der glücklichen Lage, ihnen zusätzlich  Ausbildung und Arbeit in meinem Büro anbieten zu können...

Heute sind beide in den Vierzigern und sozusagen nach schließlich eigener Berufswahl gesettelt. Die Musik und der Gesang in ihren jeweiligen Bands sind nur noch ein Hobby, das ihnen bei Auftritten immer noch Spaß macht, aber zum Lebensunterhalt nie Gereicht hätte
.Den Schatten ihres Vaters - wenn er denn jemals auf ihnen lag - haben sie autonom und souverän abgestreift.



Hin und wieder blitzt bei meiner Tochter auf, was sie an Kreativität auch als Künstlerin entfaltet hätte. Wie gestern Nacht während sie bei einem Vater-Tochter-Gespräch dieses Foto unten schoss und im Family-Chat postete.
Das werde ich mir jetzt immer ansehen und mir dabei den Song meines Sohnes anhören: "Timt Well Spent" - die Zeit wohl genutzt - von "House Of Leaves".
Mehr braucht es nicht, um stolz auf seinen "Nachwuchs" zu sein: https://soundcloud.com/wearehouseofleaves/time-well-spent

Foto: Magdalena Panta
Der Schatten meines Vaters
oder "No Foto, Sir!"

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