Montag, 9. September 2024

Gründerzeiten

Da sitze ich hier mit meinem  Hintern tatsächlich auf einem Sessel aus der sogenannten Gründerzeit am Laptop und schreibe meinen Montags-Post. Diesen Opa-Lehnstuhl schaffte ich mir als erstes Möbel für meine erste Wohnung an, das gleichzeitig das Kernstück für alle meine späteren Büros war. Das unverwüstliche Teil - eigentlich präziser - aus der Epoche des Historismus stammend hat also mehr als 150 Jahre auf seinen Tatzen überstanden und war seit 1971 mein Kreativ-Zentrum, bis mir die Verleger ein Chef-Zimmer nach ihren Vorstellungen aufzwangen.
Aber das ist ja heute gar nicht  mein Thema, sondern die Begriffsverwirrungen, die seither leichtsinnig mit dieser Bezeichnung "Gründerzeit" einhergehen, Wie widersprüchlich, leichtsinnig und fehlinterpretiert sie in den Mund genommen wird, würde den Rahmen dieses Posts sprengen. Deshalb hier nur ein Link zu einem sehr kompetenten Überblick , an dessen Inhalt es aus meiner Sicht nichts auszusetzen gibt:
 https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCnderzeit.
Denn ich will auf eigentlich auf etwas anderes hinaus.

Quelle: wikipedia
Wieso wird nur diese deutsche Epoche, die wahlweise von der Revolution 1848 bis zum Börsenkrach 1873  und auch mal wesentlich kürzer bemessen wird, trotz ihrer zerstörerischer Jahre so überhöht als Gründerzeit angesehen? Etwa, weil 1871 Otto von Bismarcks 19 jährige Regentschaft als Reichskanzler eines später geeinten Kaiserreichs begann? Die danach eine "Belle Époque" vorgaukelte, die nur für das gehobene Bürgertum belle war? Wurde in den Jahrhunderten zuvor nicht auch emsig gegründet und gleich wieder zerstört ? Und was war mit all den Gründungen aus deutschkolonialem Größenwahn, die in auf Umwegen zu den Kriege des 20. Jahrhunderts führten?

Quelle: wikipedia
Friedrich Ebert
Reichskanzler
1919 - 1925
Hätte nicht die erste echte Deutsche Demokratie - ausgerufen auf den Trümmern und Leichenbergen des Ersten Weltkriegs - auch als epochale Gründerjahre einen Erinnerungs-Stempel verdient. Selbst wenn sie im Weimarer Tohuwabohu endete?

Quelle: Studyflix
Der vermeintlich Demütige
übernimmt die Macht 1933.
Die Mordbuben stehen
da schon direkt hinter ihm.
Der 
vermutlich bereits
demente Kaiser-Krieger
Hindenburg, ebnet fast
wehrlose den Weg zu
den in "Mein Kampf"
angekündigten 
Verbrechen
Am vergangenen Samstag wurden wieder Gründungen gefeiert. In Berlin der Bundestag und in Bonn der Bundesrat. Beide ein halbes Jahr jünger als ich aber auch nicht wesentlich fitter. 90 Jahre nach der Machtübernahme drängen Nazis wieder massiv in die Länderparlamente und scheren sich offenbar einen Dreck darum, wie sei verfassungsrechtlich eingestuft werden. Etwa weil sie sich gar nicht mehr klammheimlich wachsender Rückendeckung aus allen Bereichen der Gesellschaft sicher sind?

Mir war das heiligmäßige Herumsalbadern der Festredner vom 7. September 2024 ein Graus. Vor allem Angesichts der Tatsache, dass keineswegs von den demokratischen Kräften vereint gegen die Braunen vorgegangen wird, obwohl ja einmal wieder Alarmstufe Rot herrscht. Stattdessen werden durch alle Parteien hindurch inhaltliche Anleihen bei den populistisch verteufelnden Gegnern unserer Demokratie genommen. Wobei die Gefahr für unser Land anhand meist ungeklärter Verbrechen und deren Auslöser  auf meist überwiegend ungefährliche Minderheiten verlagert wird. Denn der Großteil der Migranten will doch offenbar zu uns, weil sie die Sicherheit und das wirtschaftliche Wohlergehen in unserem Land suchen. Was hätten die dann von solchen Anschlägen? Das erinnert an die verfolgten Juden, die im Ersten Weltkrieg für ihr Heimatland den Kopf hinhielten und danach die Reparation mit stemmten, um dann während des Zweiten Weltkriegs im KZ zu sterben...

Populistisch dummdreister geht es nicht - am drohenden Ende der dritten (oder aus Nazi-Blickwinkel vielleicht sogar schon vierten??? ) Gründerzeit!

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