Freitag, 13. September 2024

Ein Mafia-Märchen

Es war einmal in einem Land, das von einem blonden, bösen Engelchen mit braunen Flügeln regiert wird: Das Engelchen hatte zuvor mit Kreide und Grappa gegurgelt, damit alle Welt ihr glauben möge, in ihrem Land gäbe es bald durch faschistische Reinkultur weder politische Verfolgung noch Korruption.

Allenthalben kam die Botschaft an, nicht aber in einer verschwägerten, verschwisterten und gerne hinterrücks agierenden Gemeinde in der abgeschiedenen Talschaft eines Hinterlandes. Ein fleißiger junger Mann vom Absatz des Italienischen Stiefels, der sein Glück vor Jahrzehnten beim Bau der Autobahn gemacht hatte und es in der Folge zu einem gut beschäftigten Bauunternehmen gebracht hatte, ging eine Liaison mit der Dorfschönheit eine alteingesessenen Familie ein. Der Wohlstand wuchs durch seinen Fleiß und den Erwerb von Latifundien, aber die Liebe schwand. Wie das so oft ist im Leben und in Blut-und-Boden-Geschichten: Zurück blieb nur Böses, das mutwillig zur Rache immer wieder zum Überkochen gebracht wurde. 

Quelle: tinapics
Dörfer im Dunst der Zwietracht unter der Macht der Sindaci

Die Verwandtschaft der einen Dorfschaft schwappte böse Gerüchte wie ein schleichendes Gift hinüber zum anderen Gemeinwesen und führte so zwar zu keinen Gewalt-Delikten aber immerhin zu einer Vendetta aus Rufmord und Geschäftsschädigung. All das steckte unser Held weg, und dann macht der Verfolgte auch noch mit seiner neuen Partnerin im paradiesischen Talboden eine Azienda Agricola auf. Mal verschwand  von dort eine Baumaschine, mal wurde der natürliche Teich leergefischt oder ein Beet mit Setzlingen zertrampelt. Heuer verschwanden gleich über Nacht die gesamten zur Ernte gereiften Auberginen, und es gab Löcher im Zaun des Hühnerhofes.

Wenn sich Ausländer schon kaum auf Rechtshändel in diesem Land einlassen sollten, weil die Anwälte hier schneller im Zahllungen Eintreiben als im Verfahren Beschleunigen sind. Wie ergeht es dann einem aus dem Süden Zugewanderter im Freundschafts- und Gefälligkeits-Dschungel solcher Talschaften? Da hört er schon mal, wenn er Anzeige verfolgen und juristischen Beistand will: "Gegen den kann ich Dich nicht vertreten, das ist ein alter Studienkollege und ein Vetter des Sindaco, des Bürgermeisters."

Ja, und wenn einer schon ein Vetter des Sindaco ist, dann hat man es in so kleinen Gemeinden auch schon gleich mit seiner ganzen Sippschaft zu tun. Zu der zufällig auch die Angestellten der Gemeinde gehören oder ihr in Nibelungentreue verbunden sind. Da warten Angehörige  anderer "Kostgänger" schon mal eine Stunde auf ein simples Dokument, oder es werden Rechnungen per Einschreiben verschickt, wenn die Verwaltung sich sicher sein kann, dass die Empfänger nicht vor Ort sind.

Quelle: Katholisch.de
Ein Mensch betrachtete einst näher
die Fabel von dem Pharisäer,
der Gott gedankt voll Heuchelei
dafür, dass er kein Zöllner sei.
Gottlob! rief er in eitlem Sinn,
dass ich kein Pharisäer bin!

Ein schlauer Sindaco verteilt seine Gunst derart präzise und gewissenhaft, bis er mit Fug und Recht sagen darf: "Il Comuno sono io!"  Manche sind derart geschickt, dass sie es schaffen trotz der vielen politischen Händel in diesem Wunderland - selbst nachdem sie schon mal abgewählt wurden - immer wieder auf dem Stuhle des Bürgermeisters zu landen. Dann sind sie quasi Diktatoren, für die es keine oder kaum noch Gegenkandidaten gibt. Das kann zu großkotzigem von Carabinieri unterstützten Machtmissbrauch wie bei einem Mafia-Padrino führen.
Nachdem die Gemeindestraße nach mehr als einem Jahrzehnt endlich erneuert worden war, sei sie plötzlich für schwere Betonmischer nicht mehr befahrbar, aber für den Sperrmüll-Transporter und Feuerwehr-Tankwagen  schon noch? Und das gerade, als der Geschundene aus unserem Märchen, den Beton für den Terrassen-Neubau seiner Freundin braucht?
Während ein zu geheirateter Bauherr einer einflussreichen Sippe im Panorama des Ortes seinen Bau-Kran schon zwei Jahren vor den Dach-Terrassen seiner  ausländischen Nachbarschaft stehen lassen darf? Keiner mahnt den ab, wenn er regelmäßig dann in aller Frühe mit seinem Baulärm terrorisiert, wenn Gäste sich hier im Urlaub entspannen wollen! Währenddessen muss der in Ungnade Geratene für die Lieferung seines Betons vom Sindaco eine geradezu mafiöse Bedrohung bis hin zur persönlichen Einschüchterung seiner Lieferanten hinnehmen.

Wie das böse Mafia-Märchen wohl enden wird? Bin ich Agnostiker jetzt auch ein Pharisäer, weil ich dankbar bin, dass ich nicht in so einem Dorf lebe wie jenem dort.(Lukas 8,11)?. Oder vielleicht doch?
Was weiß denn schon ein Geschichten-Erzähler von der wahren Wirklichkeit?

Vielleicht soviel aus der Gerüchte-Küche: Während unsere Märchen-Gestalt die Terrasse unter dem Sindaco-Terror stabilisierte und befestigte, rutschte in unmittelbarer Nachbarschaft am vergangenen Starkregen-Wochenende eine Mauer samt Teilen des wunderschönen Gartens die steile Böschung bis fast zur Staatsstraße hinunter. Ein Schaden, der kaum zu beziffern ist und weiteren Hanghäusern daneben beim nächsten Gewitter ebenfalls droht. Trockenmauern halten eben nicht für die Ewigkeit.
Bis heute ward der Sindaco dort in der Gefahrenzone nicht gesehen.

Ich hoffe, mir fällt für das Märchen aus gegebenem Anlass noch ein glückliches Ende ein. Wenn sie nicht alle gestorben sind...

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