Freitag, 30. August 2024

Wenn sich die Alten ausblenden

Meine Frau und ich waren beide eine Zeit lang auf unterschiedlichen Wegen politisch aktiv. Doch während ich dem zunehmend wirrer werdenden Tagesgeschehen auch heute noch intensiv folge, zieht sich die Fürsorgliche - vor allem hier oben - komplett aus den weltweiten Nachrichten zurück.
Quelle: freepik
Wer sich isoliert, verliert

Stattdessen fragt sie mich jeden Vormittag bei unserem späten Frühstück, wie denn die Nachrichten-Lage sei. Das regt mich zunehmend auf, weil ich dadurch ja quasi als Filter missbraucht werde. Aber ich will ja auch, dass sie gänzlich desinformiert bleibt. Wenn ich sie dann aber für ihre Ignoranz tadle, begegnet sie mir mit mit ihrem Standardspruch:

"Ich kann's ja sowieso nicht ändern!"

Hat sie am Ende etwa recht? Müssen wir uns nach einem langen "Überlebenskampf" den täglichen Horror von sich häufenden Messer-Attacken, von Bombenterror, narzisstischen Politikern, Umweltkatstrophen und menschlichem Versagen weiterhin geben, um dann auch noch an der immer diffuseren, täglichen Berichterstattung von unverständlichen Kriegen hängen zu bleiben?

Wir werden in den europäischen Gesellschaften zwar immer älter und sorgen dafür, dass die soziologische Alterspyramide bald auf der Spitze steht. Aber gleichzeitig  wird unser Einfluss auf die Geschehnisse immer geringer - es sei denn wir strebten in unserem Alter noch wie diese wirre Autokraten die Weltherrschaft an. Allein an der Renten-Diskussion  ist das allenthalben zu erkennen. Aber auch die "Entwicklungshilfe" für unsere Kindeskinder, die ja eigentlich das sich ständig von selbst erneuern müssende Fundament der Soziodemographie sichern sollten, wird stetig vernachlässigt.

Die Politik - so scheint es mehr denn je - wird allein für die gemacht, die "noch im Geschäft" sind. Niemand steuert ernsthaft gegen die drohenden Veränderungen auf unserem Planeten an; seien sie soziologisch, klimatisch oder wirtschaftlich. Weil - wie immer in der Geschichte - nur das Aktuelle und das politische Tagesgeschäft zählt - und nicht etwa seine Auswirkungen auf die Zukunft jedes Individuums. Wir werden so lange wir leben,  mit.  den Nachrichten auf Kurzzeit-Wahrnehmung getrimmt. Aber wie verschafft uns das eine qualifizierte Zukunftsperspektive für unsere Nachkommen?


Wenn die Alten sich ausblenden, überlassen sie ihre Stimmen anderen, die vermeintlich gar nicht ihre Interessen wahren wollen oder können. Wenn Alte aufhören, sich detailliert schlau zu machen, werden sie zunehmend OPFER von Parolen und Politik einfachster Strickmuster.

"Was interessiert es mich, wenn in Peking ein Fahrrad umfällt", hieß es in meiner Jugend. Heute wissen wir im Bruchteil von Sekunden, weshalb es umgefallen ist, von welchem Hersteller es stammt und was aus dem Besitzer geworden ist. Ein paar Minuten später übernimmt dafür womöglich eine radikale E-Auto-Lobby die Verantwortung, aber niemand berichtet über den, der das Fahrrad wieder ordentlich hingestellt hat...

Was macht dieser Nachrichten-"Blitzkrieg" mit unserem Mitfühlen mit der seelischen Leidensfähigkeit? Er lässt uns abstumpfen, und macht uns hilfloser je älter wir werden. Steckt da etwa auch ein Kalkül dahinter?

Was ich mit Blick auf die Entwicklung der Alterspyramide bis 2060 meine? Wir alten Schafe sind schon zu alt für die Schlachtbank. Aber ihr Lämmchen! Blickt mal an den Influencern  in euren Smartphones vorbei in die Welt, wie sie ist. Fallt bloß nicht auf Tageserfolge und kernige Versprechen herein. Die wollen doch alle am Ende nur eure Koteletts!
Auch wenn wir im Jetzt leben, muss auch die Zukunft der Kommenden gleichermaßen zählen.

Quelle: TAZ


So lange wir nicht nur für uns alleine denken, können auch wir Alten noch immer zusammen die Zukunft lenken!

Dienstag, 27. August 2024

Kleidung im Klimawandel

  Egal in welcher Gewichtsklasse ich mich bewegte, von klein auf war ich ein Schwitzmonster. Bei meiner beruflichen Tätigkeit im Sport fiel das nicht weiter auf, aber später bei offiziellen Anlässen in großer Hitze kam es immer wieder zu Peinlichkeiten. 

Einmal auf Sri Lanka war ich zur offiziellen Eröffnung einer Ferienanlage eingeladen, die durch den Ministerpräsidenten vorgenommen werden sollte. Ich fragte, als ich ein paar Tage davor in Kandy war, den Hausschneider meines Hotels, was denn in Anbetracht der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit die Würdenträger zu so einem Anlass trügen, und ob ich denn so einen von ihm bekommen könnte. Quasi über Nacht bekam ich auf Maß zwei  weiße Parliament-Anzüge aus einem leichten Kattun.

Die Feierlichkeiten fanden unter freiem Himmel statt. Ich war natürlich der einzige Ausländer der nicht im dunklen Anzug erschien. Viel schlimmer aber war, dass ich nach nur fünf Minuten aussah, als nähme ich an einem Wet-T-Shirt-Contest teil.

In Bangkok verpasste ich wegen meines morgendlichen Fotografierens die offizielle Limousine für einen offiziösen Besuch im Königspalast Chitralada. Ich eilte ins Hotel zurück, duschte und zog mir einen sündteuren, weißen Zweireiher aus Irischen Leinen an. Weil ich kein Taxi fand, nahm ich ich ein Tuc-Tuc. - Schwerer Fehler! Ich war noch keine zehn Minuten im Verkehrs-Chaos unterwegs, da hatte sich der einst so elegante Anzug im Smog vermischt mit meinem Schweiß in ein graues Schlabberding verwandelt. Zudem hatte der Sitz des Tuc Tuc auf meine gesamte Rückenpartie schwarz abgefärbt. Ich drehte um und gab das traurige Etwas in die Hotel-Reinigung. Was ich zurück bekam hätte nur noch einem Schuljungen gepasst.

In den Tropen blieb meine Arbeitskleidung
ja auch nicht lange so propper...
Wieso ich mich gerade jetzt daran erinnere?

Nach mittlerweile 40 Tagen mit Mittagstemperaturen über 30 Grad mache ich mir ernsthaft Gedanken, wie sich unsere Kleidung im Klimawandel  wandeln muss, um noch halbwegs "Contenance" zu bewahren. Manche Nachbarn hier erkenne ich gar nicht mehr, wenn ich sie in der Stadt treffe. So sehr habe ich mich an ihren Burg-Look in flatternden, kurzen Sporthosen kombiniert mit verwaschenen Shirts gewöhnt, dass ich grußlos an ihnen vorbei gehe. Aber auch die müssen ja meine Outfits ertragen, wenn sie die Piazza queren. Denn hier oben trage ich mit nichts darunter Kaftans und Burnusse aus dem Dritte-Welt-Laden, die denen vermutlich anmuten als sei ein Jedi-Ritter aus den StarWars hier gelandet.

Der Jedi-Ritter von Castello

Quelle: Deutschlandfunk
Wie Duane Hanson uns Freizeit-Menschen sah
Natürlich sehen wir alle in Freizeit, Urlaub oder Ruhestand irgendwie komisch aus. Aber je älter ich werde, desto mehr achte ich darauf, dass ich, wenn ich mich talwärts bewege, immer lange Hosen, ein richtiges Hemd und zum kaschieren der Schweißflecken zumindest eine Weste trage. Mir würde es nie einfallen in Adiletten mit weißen Socken und Tennis-Shorts in unseren Dom zu gehen, wie ich es neulich erst gesehen habe.

Zur persönlichen Abschreckung schaue ich mir immer wieder Fotos von den Skulpturen des leider zu früh verstorbenen Amerikanischen Künstlers Duane Hanson an.

Aber vermutlich werden wir uns den Luxus individueller Kleidung sowie so nicht mehr lange leisten können. Schon jetzt pustet die weltweite Textil-Produktion mehr CO2 in unsere Atmosphäre als alle Flugzeuge und Kreuzfahrtschiffe zusammen. Angeblich - so die Statistik - ist die Herstellung von  nur 10 Jeans gleichzusetzen mit dem CO2-Auststoß eines Fluges von Berlin nach München.

Je kurzlebiger Mode-Trends sind, desto schneller verändern sie unser Klima. Das ist sicher.

Quelle: freepik
1,2 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente setzt die Textil-Industrie
an Treibhausgasen in unserer Atmosphäre frei - meist für Fastfashion


Sonntag, 25. August 2024

Orient meets Occident

 Alles geht in dieser modernen, so klein gewordenen Welt. Enkel in einer weit entfernten Ecke unseres Planeten können direkt nach der Geburt über die sozialen Medien bei ihrer Entwicklung von Grosseltern in einer anderen Hemisphere beobachtet werden. Wenn Sie dann anfangen zu sprechen, könnten sie auch miteinander reden, wenn die Sprache nicht so anders wäre.

Aber tempus fugit. Die Lebensuhr schreitet voran, und die Sehnsucht wächst, von eigenem Blut dann doch leibhaftig sehen zu wollen. Die Schwiegereltern meiner Tochter, waren noch nie zuvor im Ausland, und ein Meer hatten sie auch noch nie gesehen. Dann die Visaproblematik in einer migrstionsfeindlichen Epoche, sowie die Sprachbarrieren - wenn man ausser der eigenen, seltenen,  keine andere Sprache spricht. Und dann schließlich noch mit Timelag die kurze, aber kulturell so vielfältige Reise von München, über Österreich, in die Schweiz und  schließlich in dieses italienische Bergdorf mit seinem eigenartigen Nationenmix.

Sushila und Sundarshan haben freundlich lächelnd das alles auf sich genommen und tapfer ertragen. 

Der einst so weltgewandte Blogger hingegen, ist bei der Hilflosigkeit, nicht kommunizieren zu können, erstmals an seine Grenzen gestoßen...

Namasde!

Oder besser noch:

Svagata Cha!






Donnerstag, 22. August 2024

Und noch ein Buchtipp!

 Wer bin ich eigentlich, dass ich glaube, nur weil ich gerade ein Buch-Fress-Anfall habe, dass Euch meine Meinung zu gerade Gelesenem interessiert?



Zumal ja diese Biografie von Irina Badavi mit Unterstützung der bekannten Journalistin Angela Kandt schon im Jahr 2016 im Gütersloher Verlagshaus erschienen ist. 

Hier in der Grabstätte der ungelesenen Bücher stand das funkelnagelneue Buch geschütz in einer hinteren Reihe, und das hat es beileibe nicht verdient. 
Auf das Schicksal der Jesiden wird ja gerade wieder wegen der Verschleppungen durch den sogenannten IS und die Behandlung dieser religiösen Mimderheit im Irak, in Georgoen, Russland und auch im Iran gerade wieder unser Augenmerk gelenkt.
Der religiöse Ursprung des Jesidischen Göaubens mag archaisch und vielleicht älter als das Christentum und der Islam sein. Aber ist er etwa auch der Grund, weshalb Frauen unter den Augen von einigen Religionsführern immer noch als Menschen zweiter  Klasse missachtet werden? Afghanistan ist ja nur das krasseste Beispiel für die immer wieder aus Glaubensgründen aufflammende Frauenfeindlichkeit in von Männern dominierten Systemen: Verweigerung der Selbstbestimmung durch von Vätern arrangierte Zwangsehen, Verhinderung von Bildung und jeglichen Zugang zur individuellen Entfaltung, Vergewaltgung in der Ehe.

In München haben wir einige Jesidische Migranten. Manche ihrer Frauen beobachte ich immer wieder vor dem Ida-Schmacher-Brunnen am Viktualienmarkt. Da verharren sie - traditionell gekleidet - in möglicherweise inbrünstiger Andacht, als sei die Darstellung der mit Eimer und Besen bewaffneten Frau eine Art Symbolfigur für ihr Schicksal.
Nach der Lektüre von "Wenn der Pfau weint" werde ich sie von nun an ganz anders wahrnehmen.

Dienstag, 20. August 2024

Der "im Licht Geborene"

 Gleichgültig um welche Uhrzeit ich aufwache - seit einem Vierteljahrhundert richte ich meinen Blick zunächst auf die andere Seite dieses Trichter-Tals. Da liegt auf gleicher Höhe der Ort, dessen Name nicht treffender lauten könnte: Lucinasco - der im Licht Geborene.


Wenn unser Borgo noch im Schlagschatten der aufgehenden Sonne liegt, leuchtet er schon im Fensterrahmen wie eine Diamantbrosche auf edel strukturiertem Samt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mit den großen Brennweiten viele analoge Filme verschoss, um dieser einzigartigen Schönheit beizukommen. Damals musste ich für das E-16 Prozessing immer noch zum letzten Kodak-Chrome-Studio an der Riviera nach Sanremo.

Tempi passati! Diese beiden Bilder schoss ich gestern mit meinem Handy. 

So, wie wir fototechnisch von der Elektronik überrollt wurden, so verblasste die immerwährende Präsenz des Gegenübers in meinem Bewusstsein. Das passiert ja oft mit immer gegenwärtiger Schönheit.

Wieso das Entzücken jetzt wiederkehrt? Der morgendliche Anblick hat die Leuchtkraft von Lucinasco zu meiner Kontroll-Instanz für den täglichen Wetterbericht werden lassen. Erscheint das Dorf im ersten Licht messerscharf konturiert wie ein Relieff, bleibt das Wetter meist schön. Wird sein Bild aber nur leicht vom Morgendunst verschleiert, ist schon bis mittags mit schweren Wolken und abends mit Gewittern zu rechnen; oder auch nicht...


Die jeweilige Schönheit liegt ja  sowieso immer im Auge des Betrachters.

Sonntag, 18. August 2024

Und drum kommt Vodafone hier mit jedem Scheiß davon!

 

Weder der kleine noch der große Router waren dem Ferien-Ansturm gewachsen

Der alte Spruch, dass jede Revolution ihre Kinder fräße, wird im Cyber-Zeitalter eindeutig konterkariert. Jetzt sind es die Väter und Mütter, die Wegbeteterinnen und Wegbereiter des World Wide Web, die von immer dichteren Datenmengen und immer schnelleren -Transporten regelrecht verschlungen werden. Wer kann denn da als älterer Mensch mit den ständigen Updates und der permanenten  Passwort-Paranoia noch mithalten?

Wer in meiner Altersklasse sein Smartphone wechselt, lässt sich unweigerlich auf einen Point of no Return ein, aber noch schlimmer wird es, wenn er mit seinem Computer das Land und damit den Einflussbereich seines heimischen Providers wechselt. Da ist dann die EU plötzlich keine Europäische Union mehr.

Das liegt daran, dass die Liberalisierung des Telefonie- und Provider-Marktes unterschiedlich rechtlich abgesichert wurde. Als die Telecom Italia, die ja Service auch nicht gerade auf der Fahne hatte, ihre Alleinstellung aufgeben musste, brach hier das Telefon-Marketing derart über uns herein, dass wir nach fast drei Jahren Abzockertricks und vielen Euros schlicht auf das Festnetz verzichtet haben.

Aber wir brauchten ja dennoch Internet. Letztlich blieben wir beim gleichen Anbieter wie in Deutschland hängen: Vodafone.

Der von Großbritannien aus gesteuerte multinationale Konzern ist ja mitterweile  der zweitgrößte Anbieter von SIM-Karten, doch er operiert in jedem Land nach Gesetzeslage eben unterschiedlich. Während wir es in München bisher tunlichst vermieden haben, vom ersten tollen Lockvogel-Angebot abzulassen, ist es hier in Italien wegen der Sprache schwer, auf so eines überhaupt erst einzugehen.

Die Vodafone-Shops hier sind reine Verkausstellen ohne viel technischen Support. Also ist man in den Bergen auf den technischen Außendienst angewiesen.

Unser Haus ist ja nicht das ganze Jahr bewohnt. Aber Monats-Abonnements gibt es nicht. Vor drei Jahren ließen wir daher ein WLAN installieren, bei dem wir auch eine Festnetz-Nummer mit bezahlen mussten. Obwohl wir ja in Deutschland für Telefon, Handy und WLAN abbuchen lassen, war das hier nicht möglich. Einer der weltgrößten Datenverarbeiter bestand darauf Papier-Rechnungen zu schicken. Mit Hintergedanken beim Kleingedruckten? Bei der ersten verpassten Rechnung muss der kostenlose WLAN nämlich  sofort bezahlt werden, und die Festnetz-Gebühr dann eben auch. Obwohl die versprochen schnelle Leistung nie erbracht aber mehrfach angefordert wurde, blieben wir mit über 400 Euro zusätzlich entnervt auf der Strecke und kündigten wieder.

Für  heuer hatte mein Sohn das Netz nach zeitlich begrenzten Lösungen durchsucht. - Und war wieder auf Vodafone gestoßen. Ein mobiler Router für drei Monate 300 GB. Der Preis der Werbung wurde aber schon mit dem zwischen den Zeilen verschwiegenen Zwangserwerb der SIM-Karte überschritten. Für die wurden zudem  auch noch sensible persönliche Daten abgefragt und Ausweis-Kopien gespeichert.

Drei Monate hat das kleine Ding superschnell funktioniert. Dann stand die Verlängerung an. Natürlich nicht mehr zum Preis der Werbung. Wäre immer noch günstig gewesen. Aber da haben eben schon die Ferien begonnen, und das Vodafone-Relais hier am Ort war - wie beim großen Router zuvor - dem Ansturm nicht mehr gewachsen. 

Seither muss ich per Roaming vom Handy für meine Blogs posten. Bei den nicht weltbewegenden Beträgen, und eingedenk der langsamen Italienischen Justiz klagt natürlich niemand wegen nicht eingehaltener Versprechungen oder vertraglicher Leistungen. Im Gegenzug zum umfangreichen Abgreifen von Daten gibt es nämlich garnichts Schriftliches, auf das man sich berufen könnte.

Und drum kommt Vodafone hier mit jedem Scheiß davon...

Wir können uns noch so oft mit unseren Smartphones im Kreise dreh'n, keiner von uns Alten wird je verstehen,  was am bitteren Ende auf unseren SIM-Cards wirklich steht...


Donnerstag, 15. August 2024

Finsterer Ferragosto


 Gestern hätte Mariä Himmelfahrt nur mit stärksten Nebelscheinwerfern, Positionslichtern und genauestem  Regen-Radar geschehen können. Es war der finsterste Ferragosto seit wir im August hier sind: fünf Stunden ums Trichtertal kreisende Gewitterzellen mit Blitz-Batterien und donnerndem Getöse. Um die Mittagszeit mussten wir sogar noch das Licht einschalten. Keine Chance, eine Feiertagskerze anzuzünden, denn bei immer noch 27 Grad und extremer Luftfeuchtigkeit musste Durchzug erzeugt werden, wo immer es ging.

Ja, so ist das Leben in den Bergen, aber es überrascht uns nicht mehr, denn schon die 7-Tage-Prognose warnte für das Feiertagswochenende vor heftigen Gewittern und Starkregen. Letzterer peitschte nicht diagonal herab, sondern war ein längst fälliger Niederschlag ohne den stets drohenden, strichweisen Hagelschlag, der schon mal ganze Olivenernten vernichtet. 

Mariä Himmelfahrt dürfte uns somit auch nach den Temperaturen der vergangenen 30 Tage vor der stets um diese Zeit drohenden Wasserknappheit bewahrt haben.

Dem Himmel sei Dank - auch vom Dorf-Agnostiker!

Dienstag, 13. August 2024

Sinnsuche im "Saunatorium"

 Ist das jetzt schon die erste Trainingsstufe für das altersbedingte Delierium? Gestern stieg das Thermometer um 17 Uhr auf 36 Grad. Mein Handy vermeldete die als gefühlte 39.

Im Family-Chat über Temperaturen zu schreiben, hat ja bislang nichts gebracht, weil München meist ein, zwei Grad mehr hatte. Aber jetzt lagen wir mal drüber. Fraglich nur, was das bringt. - Außer noch mehr Matschhirn.

Zur Geisterstunde letzte Nacht erörterten meine Frau und ich auf Abstand im Ehebett, womit wir besser umgehen könnten: mit extremer Kälte oder Höchsttempersturen. Meine Frau, die  ewige Frostbeule mit den kalten Füßen meinte spontan: natürlich Hitze. Ich erzählte ihr, dass ich aber unter der Spezialkleidung noch geschwitzt hätte, als ich bei Nacht und fast minus 30 Grad auf einem Skidoo mit Tempo 100 in Finnisch Lappland über einen See gebraust sei. Kälte kann man immer mit Kleidung begegnen. Selbst die Beduinen schafften das bei Hitze nicht mit ihren mehrschichtigen Burnussen.

Ständig muss ich Begehren von Nachbarn ablehnen, weil ich hier splitternackt und triefend in einem kaum herzustellenden "Windkreuz" am Schreibtisch sitze und Texte für meine Posts aus schwitze.

Habe ich mal - den Klimawandel offenbar falsch einschätzend - das Leben hier oben als dem "Zauberberg" von Thomas Mann ähnlich beschrieben?

Hallo! Die lagen da unterm Winterhimmel auf ihren Liegestühlen warm verpackt in mehreren weichen Wolldecken, labten sich an Hühnerbrühe und feinstem Tee und genossen das Panorama der verschneiten Berge... Da würde ich gerade einiges für geben und sogar die wirren Gedanken von Minheer van Peperkorn ertragen.

Aber unsere schöne Panorama-Terrasse hier ist trotz eines neuen, größeren Sonnenschirm tagsüber nicht zu betreten. Die Fliesen werden so heiß, dass man mit Stahlgiesser-Stiefeln


ausgestattet Steaks und Spiegeleier braten könnte. - Ja, wenn es zum Essen nicht viel zu heiß  wäre.


Sonntag, 11. August 2024

Der Letzte macht das Licht aus

 Seit über einer Woche brennt nun die Beleuchtung des Borgos Tag und Nacht, aber niemanden von der Gemeinde scheint das zu stören. Nachbarn haben mehrmals im Palazzo Municipale angerufen, aber keiner weiß wohl, was zu tun ist.


Denkbar, dass die Lichtsensoren, die die Beleuchtung automatisch an- und ausschalten, bei den  Temperaturen einfach durchgeschmort sind und wegen der Ferragosto-Stimmung keiner kommt, um sie auszutauschen.

Denkbar, dass die Verantwortlichen nicht riskieren wollen, dass in den ansonsten stockfinsteren Gassen ein Feriengast verunglückt, der Haftungsansprüche anmelden könnte.

Nein, am wahrscheinlichsten ist, dass hier in dieser janusköpfigen Gemeinde niemand der Letzte sein möchte.

Gerade ist die Straße hier hoch komplett neu geteert worden, doch  die Stadtgärtnerin, die bisher die Gassen  von Unkraut entjätet und mit ihrem Laubbläser den Unrat nach Regengüssen fort gepustet hat, ist schon lange nicht mehr hier oben gesehen worden.

Vergangenen Mittwoch hat es tatsächlich mal wieder ausgiebig geregnet. Ein Segen für die Natur, aber in den Gassen lagen Tage später immer noch ihre losen mit geschwemmten Überbleibsel...

Liegt es also am immer vorgehaltene kommunale Geldmangel?

Gesucht wird wohl der oder die Letzte, die diesem unnötigen Stromverbrauch ein Ende bereitet.

Denn der oder die Letzte macht doch sprichwörtlich immer das Licht aus - oder?


Donnerstag, 8. August 2024

Doch noch mal ein Buchtipp


Wie oft bin ich in den mehr als 30 Jahren Arbeit für den Skisport  im Auf und Ab über den Reschen-Pass an diesem halb aus dem Wasser ragenden Kirchturm vorbei gefahren? Nie habe ich darüber nachgedacht, welche  Geschichte unter der Wasseroberfläche verborgen sein könnte.
Eine lebenslange Freundin aus Buchhändler-Tagen lenkt fast jedes Jahr, bevor wir nach Italien aufbrechen, durch Buchgechenke meine Aufmerksamkeit auf zeitgenössische italienische Literaten. Durch sie lernte ich die  Romane von Milena Agus kennen. Jetzt also dieser Roman, der mich auch daran erinnert, dass ich mit ihrem längst und viel zu früh verstorbenen Mann die Route einst zu unseren Skitests fuhr.
Ich gestehe, Marco Balzano, Jahrgang 1978, ist mir durch meine Lesefaulheit der vergangenen Jahre einfach entgangen. 
Der preisgekrönte Literat aus Mailand ist Gymnasial-Lehrer für Literatur. Hoffentlich sind sich seine Schülerinnen und Schüler dessen bewusst, dass sie da einen Lehrer haben, der ein absoluter Ausnahmekönner ist
"Ich  bleibe hier" ist ein Geschichtsbuch, das am Leben einer Dorfschul-lehrerin nicht nur das  wechselhafte Schicksal Südtirols, sondern auch die rücksichtslose, ökologische Einflussnahme zwecks  Energie-Gewinnung thematisiert. Das Gefühl für Heimat in einer fremden Nation wird zudem durch die gegenläufigen geschichtlichen Einflüsse permanent derart zersetzt, dass neben dem Besitz auch die Identitäten abhanden kommen. Dass ausgerechnet ein Italiener derart einfühlsam die Seelen-Qual der Südtiroler im vergangenen Jahrhundert beschreibt, macht diesen Roman doppelt wertvoll.
Das Buch erschien 2022 bei Diogenes, ist also auch politisch brisant aktuell. Mein Prädikat: Äußerst lesenswert!

Gebt mir bitte Feedback, wenn Ihr es lesen solltet.
 

Dienstag, 6. August 2024

Natur im Gegenverkehr

Wenn wir unten im Tal in Richtung Meer abbiegen, wartet dort ein schattiges Plätzchen, an dem die Carabinieri sich gerne verstecken, um Verkehrssündern aufzulauern. Meist geht es um die Nichtbeachtung des Überholverbots, aber mitunter auch um überhöhte Geschwindigkeit.

Beide Schilder, die das vorschreiben, sind allerdings Opfer natürlichen Gegenverkehrs geworden. Ob das allerdings vor Bußgeld schützt, möchten wir eher nicht ausprobieren...
 

Sonntag, 4. August 2024

Vorwärts zurück ins Mittelalter

 Was haben wir uns da vergangene Woche gefallen lassen müssen. Da wurde der größte Gefangenen-Austausch seit dem Kalten Krieg durchgeführt. - Von Demokratien, die gemäß ihren Verfassungen der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet wären, die Verstöße in diesem Fall aber mit humanitären Beweggründen verschleiert haben.

In Zeiten der Raubritter waren die Machtlosen darauf gefasst, dass sie in Geisel-Haft genommen werden könnten, um mit deren Gefangenschaft Leistungen oder Gelder zu erpressen. Das war gewissermaßen "State of the arts". Aber haben wir - die Menschheit - in all den Jahrhunderten der Aufklärung und des Blutvergießens denn all die gesellschaftlichen Fortschritte umsonst gemacht, damit ein paar Menschen - ob zu Recht oder Unrecht der Spionage oder Gegenspionage beschuldigt - in einem Geisel-Tauschhandel frei kommen?

Spätestens als der Neu-Zar Putin den Tiergarten-Mörder wie einen Kriegshelden am Flughafen abholte, waren die absurden Rechtfertigungen unseres Kanzlers nur in den Wind gesprochen. Die weltweite Erpressungskultur durch  Geiselnahme wird unserem Grundgesetz Schaden zugefügt haben. Wann wird dann auch Foltern wieder legitim?

Stehen wir bald auf dem gleichen Rechtslevel wie die USA, die, um ihr Recht zu umgehen Guantanamo immer noch nicht abgeschafft haben?

Wird nicht dagegen gesteuert, könnte Geiselnahme zur neuen Geißel der Rechtsstaatlichkeit werden. Der Keim wurde jetzt gepflanzt. Solche Vasallen-Typen wie Lukaschenko lassen willkürlich Todes-Urteile verhängen, damit andernorts dann wirkliche Mordbuben ausgetauscht werden.

Wie schurkisch soll diese Welt denn noch werden?

Kurze Pause

 Am 7. August geht es weiter. Ich brauche einen neuen, mobilen WLAN.

Donnerstag, 1. August 2024

Video omnia est!...

...Würden die alten Römer heute nicht nur in Italien, sondern weltweit frohlocken. Video ist alles, weil dieser Planet so schnelllebig, wild, unübersichtlich, unsicher und böse geworden ist. Wir Alten begegnen diesem Trend, alles sehen und beobachten zu wollen, ja gerne mit dem Spruch: "Wer nichts zu verbergen hat - und so weiter..."

Aber wie weit ist es dann noch bis zur totalen Überwachung, wenn "The Wind of Change" uns aus der entgegengesetzten Richtung ins Gesicht bläst und "Big Brother is watching us" zur politischen Realität wird?

Wie immer an heißen Tagen sorgen Dialoge, in denen die "Fürsorglichste" und ich uns verhören, für das Auslösen von Gedanken-Lawinen. Sie sitzt unten in der Küche bei offener Haustür an ihren Sudokus, ich hier oben, einen Stock höher im Arbeitszimmer am Computer. Wir neigen beide auch immer mehr dazu, schlecht zu hören Selbstgespräche zu führen. Was dann nicht selten zu noch größeren Verwirrungen führen kann.

Als ich mir Hose und Strümpfe unter großen Verrenkungen anziehe, stöhne ich laut vor mich hin, dass nähme dies jemand mit versteckter Kamera auf und veröffentlichte es im Internet, meine Unbeholfenheit wohl der Lacher des Tages sein könnte.

"Ja, richtig!" Entgegnet meine Frau, "wir brauchen dringend so einen Video-Beweis wie beim Fußball, damit wir endlich wissen, wer uns die toten Ratten vor die Haustür legt und unsere Kräuter mit Bruchstücken kaputt macht."

Quelle: Überwachungskamera-Berater
Meist verzichte ich darauf, ihr zu erklären, dass ich etwas ganz anderes gemeint hatte.
Aber was für ein Gedanke, dass ich nur das Bildschirmzeichen rund um die Piazza allen Nachbarn mit beiden Händen anzeigen müsste und danach unter dem Torbogen zur Piazza in die Video-Aufzeichnung gucken könnte! Und dann nur  auf unseren Piazza-Stern deuten müsste.  Das hätte schon was: Der Vicenzo war's! Penalty!!!

Aber die Hitze lässt mich schon wieder abschweifen:
Der Hersteller, feinster und maßlos überteuerter Gourmet-Nostalgie an den ersten beiden Kurven der Straße, die hier hoch führt, hat dort eine Video-Überwachung installiert. Besonders mittwochs stauen sich bis zu einem halben Dutzend  riesige Sattelschlepper als Hindernis in den nicht einsehbaren Kurven vor den Firmentoren, um die "Italienischen Momente" für den weltweiten Export abzuholen. Es wäre nett gewesen, wenn die Firma nicht nur an ihre eigene Logistik gedacht hätte, sondern auch den übrigen Verkehr von oben und unten mittels Videowand vor Begegnungen der unheimlichen Art warnen würde.

Quelle: freepik
Raus mit euch aus der Anonymität - ihr versteckten Überwacher!

Aber so ist es eben mit Videos. Sie dienen in erster Linie egoistischen Motiven. Die dort meistens in Unwissenheit Aufgenommenen profitieren allenfalls von kaum überprüfbaren Versprechen nach mehr allgemeiner Sicherheit. Aber die Aufnahmen selbst zu sehen, könnte doch auch das private Verhalten allgemein verbessern. Wenn sich zum Beispiel ein Einbrecher selber beim Einbrechen beobachten würde, läuterte ihn das vielleicht, von seinem Tun abzulassen. Oder der ungeduldige Drängler in der Autoschlage käme endlich zu der Erkenntnis, dass er an der nächsten Ampel nichts gewonnen  hätte. 
Wäre das nicht schön?  - Dann könnte ich auch damit leben, wenn mein viral gehendes Video vom Hose und Socken Anziehen das nächste Katzen-Video toppen täte.