Freitag, 5. Juli 2024

Orban@Orbi

Wenn meine Besorgnis stetig wächst, hilft mir oft nur noch Ironie. Denk ich an Europa in diesem Jahr, dann glaubte ich gerne an beschwörende Astrologie. Ich ließe den Sternenkranz Europas so lange und immer schneller rotieren, bis sich die braun gefärbten Sterne, die doch Einigkeit bedeuten sollten, vom Banner lösten und in eine weit entfernte Galaxie geschleudert würden.

Aber da ich Astrologie genau so für fraglich halte, wie Gläubigkeit an höhere Wesen oder Weissagungen im Hoffen auf eine bessere, friedlichere Zukunft, muss ich mich eben mit den kleinen Freuden der Gegenwart über Wasser halten.
Nach der Korona-Pause und meiner Verletzung waren wir am 2. Juli wieder einmal auf der alljährlichen Knoblauch-Messe von Vessalico im Nachbartal.

Welch Wunder: Die Historische Brücke, die vor drei Jahren teilweise vom Flüsschen Arroscia einfach  fort gerissen wurde, als hätte sie nicht aus mächtigen Quadern bestanden, ist einigermaßen restauriert worden und auch wieder befahrbar. Die Messe selbst ist deutlich geschrumpft, und der rote Knoblauch war wegen der Witterung hier im Frühjahr nicht so prall wie sonst.
Wie immer habe ich die malerische Kapelle am Süd-Ende der Brücke aufgesucht und zu einem gebetet, an den ich ja eigentlich nicht glaube. Die Fürsorglichste ist mir gefolgt und hat vor der Madonna ein par Kerzen für uns und die Familie entzündet. Sie hätte mich angesichts meiner Gedanken wegen Blasphemie aus dem Gotteshäuschen geprügelt.

Meiner Fürbitte oder besser dem Stoßgebet gab ich  - beim Papst entlehnt - den Titel Orban@Orbi.
Der ebenso rundliche wie sperrige Ungar hatte ja am Tag zuvor seine halbjährige Amtszeit als Oberhaupt der Union angetreten. Turnusmäßig steht dieser zwiespältige Demokrat also stellvertretend für uns Europäer im "Erdkreis".
Als erste Amtshandlung ist er in die Ukraine gereist, um im Sinne Putins jenem Selenski zu einem Waffenstillstand zu raten, dem er seit Beginn des Krieges nur in den Rücken gefallen ist.
Orban, der aus Europa mit seiner magyarischen Salami-Taktik Scheibe um Scheibe vorrangig Vorteile für seinen Clan und dessen Kostgänger heraus gesäbelt hat, ohne ansonsten ein guter Europäer zu sein, schlug nicht nur vor, dass die Ukraine durch Verzicht auf annektierte Gebiete in Friedensverhandlungen eintreten solle. Er wollte auch mehr Autonomie für die Ungarn in den Ukrainischen Karpaten, die die Ukrainer angeblich unterdrückten...
Na, wenn das mal ein echter Freundschaftsbesuch war.

All die Rechtsnationalen, die in Europa immer mehr Fuß fassen, um die EU durch Schwächung wieder abzuschaffen haben das natürlich bejubelt:  Ist es nicht merkwürdig, dass ausgerechnet die Kolonial-Mächte, die am längsten an ihren "Übersee-Besitztümern" festgehalten haben, heute am lautesten gegen Migration wettern? Die einst so liberalen Holländer, die Österreicher und Italiener und nicht zuletzt die Franzosen, die übermorgen vielleicht in letzter Minute noch Schäden von der Demokratie abwenden könnten.
Wenn am Ende dieses Horrorjahres auch noch Trump erneut gewählt wird. Dann gute Nacht!

Da darf doch auch ein Agnostiker wie ich ins Beten und Betteln kommen.

Wie zum Hohn erfüllte aber das Schicksal dann an diesem herrlichen Tag doch noch  eine Weissagung meines Vaters:

Du wirst sehen - mein Sohn - wenn du nur lang genug überlebst, wirst  du am Ende von soviel Frauen umgeben sein - wie du dir das in deiner Jugend immer gewünscht hättest...

So süß und charmant! Braucht da einer als "Hahn im Korb" noch Knoblauch?


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