Wenn alle hier eine Ortsveränderung vornehmen,
weil sie Ferien haben, weshalb sollten wir dann noch zu Hause bleiben? So dachten sich das wohl
drei der schönsten Hühner des Borgos und machten sich in der Dämmerung
auf den Weg...
Ihre Herrin Gutemiene weilt
ausgerechnet bei den Römern, während Majestix in Imperia die Panini
verdienen muss. Wer immer die Prachtweibchen füttern sollte, hatte die
Käfigtüre offen gelassen. Also wanderten die drei gefiederten Grazien den Weg
von der Piazza Santa Anna hinunter zum Castello – wohl ahnend,
dass die immer sorgfältig gießende Zweitbeste in den mittlerweile
mannigfaltigen Blumentöpfen allerhand leckeres Getier als Speiseplan-Ergänzung
zur eintönigen Körner-Diät heranzüchtet.
Und was das für ein Gegacker und Getratsche
bei jeder Begutachtung einer Leckerei war! Da wurden die weiß gefiedert
ondulierten Köpfchen ruckartig zusammen gesteckt und jeweils Meinungen
eingeholt. Ja Köpfe zusammenstecken, das können die Hühner! Und als seien sie
sich der eigenen Wirkung bewusst, setzten sie sich eitel knusperbraun in
leuchtend rote Geranien-Töpfe und sahen aus wie verwegene Hut-Kreationen.
Um ehrlich zu sein, das sah tatsächlich aus,
als gehörte es so. Aber es kann das schönste Huhn ja nicht in Frieden leben,
wenn es den besorgten Nachbarn nicht gefällt. Und so nahm die Ketten-Reaktion
ihren Anfang: Die Zweitbeste rief nach der Seelenfängerin (als sei die auch für
geflügelte anime zuständig):“Polli, polli in piazza!“
Die Seelenfängerin rief Vittorio, der
ja bekanntlich einen ganzen Stall voller Hähne und Hühner hatte, als es ihm
noch besser ging. Doch Vittorio weilte zum Morgen-Kaffee unten bei der Girasole.
Also musste Signora Eddas Nepote von der Baustelle der Santa Anna
her, und im nu waren vier, fünf Leutchen hinter den drei als fleißig bekannten
Legehennen her.
Doch bitte! Das mit den dummen Hühnern ist ein
Vorurteil von Stadtmenschen. Die drei Burg-Brüterinnen jedenfalls ruckten kurz
mit ihren Köpfen und legten ihren Galopp-Gang ein, um unter dem Torbogen von
einem der drei Piazza-Ausgänge zu verschwinden.
Zickezacke Hühnerkacke waren sie in einem
vorher ausgekundschafteten Stall verschwunden und blieben dortselbst –
unerreichbar für Besen und längste Arme...
Seither sind einige Tage vergangen. Anstatt
sich mit Bongiorno zu begrüßen, stellen sich die Burg-Geister nun die
Frage, ob man etwas von den Hühnern gehört oder gesehen habe.
„Ja, sie waren vorhin gemütlich in der Via
Colombo unterwegs, aber als sie mich sahen, waren sie sofort verschwunden.“
Man macht sich Sorgen wegen möglichen
Begegnungen der unangenehmen Art. Was wenn Lazaro und Ginger, die
samtpfotigen Jäger, über die Hühner
herfallen? Auch aus der Luft drohen ja Angriffe des Rauhfuß-Bussards, des Poiana
Calzata.
Komisch, dass da keiner den zynischsten Räuber
von allen im Kalkül hat: den ansonsten auf Wildschweine spezialisierten Obelix.
Dem kam doch tatsächlich beim Anblick dieses herrlichen Federviehs seine
legendäre Hühnersuppe La Belle Poule in den Sinn. Eine einzigartige
Essenz aus möglichst fettem Hühnerfleisch, Hummerscheren und Sommertrüffeln –
abgeschmeckt mit Estragon, Zitronengras und geriebenem, frischem Ingwer...
Aber dafür ist es ja viel zu heiß!
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