Die Zweitbeste und ich exponieren unsere aus
der Form geratenen Körper ja nicht mehr allzu gern am Strand. Und wenn, dann
warten wir bis Ende September die ganzen jungen und schönen Menschen
verschwunden und die Strände vereinzelt mit unseresgleichen belegt sind. Was
uns dennoch jetzt an einem Samstag nach Santo Stefano zieht, hat mehr etwas mit
Nostalgie zu tun.
In den vergangenen anderthalb Jahrzehnten hat
sich in dem Küstenort, der nahezu übergangslos mit Riva Ligure verwachsen ist,
eine Menge getan – abgesehen davon, dass der Rad-Fernwanderweg auch hier vorbei
führt. Aus der zerklüfteten, felsigen Ufer-Anlage ist nach und nach durch
Verbauungen ein Strandparadies mit Flachwasser-Zonen für die Kleinen und
Sandstränden mit Sperrmolen geworden. So sehr sich der Ort auch verändert haben
mag, das Publikum ist gleich geblieben. Wenn wir in unserem dortigen
Lieblingsrestaurant sitzen, das eine über den Strand gebaute Terrasse hat,
tauchen wir ein in eine Atmosphäre, mit der uns die Dolce-Vita-Filme in
den 1950ern süchtig nach Italien gemacht haben:
Ein vorbei fahrender Obst-Lastwagen preist
über einen alles übertönenden Lautsprecher an, dass er Pfirsiche, Erdbeeren und
Melonen in Steigen für nur fünf Euro an die Strandbrutzler verhökert. Gerade
erblühende Mädchen schlecken auf der Promenade mit dem Hintern wackelnd an
riesigen Eistüten und unüberschaubare Familien-Verbände schwappen mit
Gummi-Srandgetier, Schlauchbooten und sonstigen Utensilien wie die Gezeiten zur
Mittagszeit hinauf in die Quartiere und dann nach der reposa wieder
runter.
Ein Restaurant in dieser Lage muss ein
Bomben-Geschäft sein. Dennoch hat wieder einmal der Besitzer gewechselt. Jetzt
wird es vom Italienischen Pizza-Meister 2011 geführt, der auch Fixpreis-Menüs
rund um seine Ofen-Kreationen anbietet. Die Befürchtung, dass darunter die
Qualität gelitten haben könnte, war
jedoch unbegründet. Der Pizzamann und sein Grillmeister verstehen ihr Handwerk,
und das zu Preisen (in der Hochsaison!), die wegen der Riesenportionen mehr als
reell sind...
Aber – wie schon angedeutet – wegen des Essens
fahren wir ja nicht dahin. Mir geht es in erster Linie um das Einfangen von
seltenen Exemplaren für den Menschen-Zoo in meinem Gehirn. Und da war ich
diesmal überaus erfolgreich. Weil der Grillmeister des Restaurants jedes Stück
auf meiner überbordenden Grillplatte (Lammschulter, Angus-Tagliata, Wachtel und
Stubenküken) auf den Punkt genau von der glühenden Holzkohle genommen hatte,
habe ich das erspähte Exemplar nach ihm benannt – zumal das Verhalten meiner
Entdeckung ja auch irgendwie mit dem Grillen zu tun hatte.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere
ältere Leser ja noch an Federico Fellinis Meisterwerk I Vitelloni. Den Jüngeren sei es empfohlen, weil
cinematografisch niemals farbiger in schwarzweiß erzählt wurde. Als Vitelloni
werden jene in die Jahre gekommenen, unverheirateten Männer bezeichnet, die
das Hotel Mama partout nicht verlassen wollen, - und die dann irgendwie komisch
werden.
Genau so ein Exemplar stand unmittelbar unter uns auf seinem Handtuch und
reichte seinen Körper ohne Schattenpause der prallen Sonne dar: Sein käseweißer
Körper (offenbar mit der höchsten Sunblocker-Stufe eingecremt, denn in
geschlagenen drei Stunden hatte sich an seinem Teint nichts geändert) war mit
einer derart schlabberigen, weißen Unterhose bekleidet, dass man ein wenig
Angst bekam, bei den Übungen könnte der Familien-Schmuck versehentlich mal
herausrutschen. Auf dem Kopf hatte er quasi als Krönung ein an den Enden
vierfach verknotetes Taschentuch – und
das in den Zeiten von Baseball-Kappen und Rapperhüten!
Jedenfalls ging der Mann beim Sonnenbaden so
gründlich vor, dass man ihn sich in der Alltagsbeschäftigung als gewissenhaften
Buchhalter vorstellen konnte: Nach einem genauen Zeitplan drehte und wendete
sich der Mann senkrecht um die Achse zur Sonne hin. Dabei exakt auf den Wechsel
zwischen Stand- und Spielbein achtend, gab er quasi die Karikatur einer
römischen Marmor-Statue. Nach sechs Umdrehungen legte er sich jeweils mit
gespreizten Oberschenkeln aufs Handtuch, und nicht nur die Zweitbeste war dann
froh, dass die Sonne dabei auf der anderen Seite stand...
Wir wissen nicht, wie die Prozedur letztlich
für die Vitelloni-Haut ausgegangen ist, und ob Mama am Abend ihrem
Liebling feingeschnittene Scheiben von grünen Tomaten zur Linderung hat
auflegen müssen. In unserer Erinnerung bleibt er jedoch ewig weiß - als der
Grillmeister.
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