Die Älteren unter den Burgbriefe-Lesern werden
sich vielleicht noch erinnern, dass wenn in den 1950ern ein Autofahrer den
anderen mit „Sie Weihnachtsmann Sie!“ beschimpfte, es beinahe gekracht hätte.
Derart von Kindheitserinnerungen getrübt, war mein Verhältnis zu dieser
rotnasigen, weißrot gewandeten Kunstfigur stets eine ambivalentes. Eigentlich
bis heute.
Daran hatte auch die von der Zweitbesten für
mich ersonnene Rolle als Weihnachtsmann/Nikolaus nichts geändert. Für unsere Kinder und die sie umgebende,
gefühlte 50 Rangen umfassende Rasselbande, die sich einige Jahre am 6. Dezember
bei uns einfand, musste ich ran.
An einmal erinnere ich mich besonders: Unser
Garten war zum frühen Zeitpunkt tief verschneit, und damit es so aussah, als
sei der Alte im Bademantel tatsächlich unversehens im unberührten Schnee
gelandet und polternd an die Terrassen-Tür gestapft, war ich mit der Leiter
über den Nachbarszaun gekommen. Leider waren mein Haupthaar und der Bart damals
noch nicht weiß. Weshalb ich ein aus Glaswolle bestehendes Ungetüm und aus dem
selben Material aufgeklebte Brauen im Gesicht trug. Der Schweiß lief in
derartigen Strömen, dass die Glaswolle regelrecht den Bach runter ging, und
mein vorlauter Sohn krähte: „Das ist ja der Pappi.“
Nur sein bester Freund wollte das nicht
glauben, blieb weiter in Ehrfurcht erstarrt und
hörte sich beeindruckt an, was ich ihm aus dem Goldenen Buch vorlas. In
zwei Monaten heiratet der mittlerweile über 1,90 große Lackel einen blonden
Engel. So lange ist das her!
Die aktuellen Schweißströme, die heute vom
lichter werdenden Haar in das Weiß meines Bartes rinnen, gemahnen mich ans Hier
und Jetzt und daran, dass mich der Weihnachtsmann in meiner Wahlheimat wieder
eingeholt hat.
Ich mache mich durch das Leben auf der Burg ja
wirklich rar. Aber zweimal pro Woche steige ich doch herab, um turnusmäßig
Dinge zu erledigen. Dazu gehört, dass ich Entkalker für die Heizung kaufen und
einen Inspektionstermin bei der sie betreuenden Firma vereinbaren muss. Ich
brauche dazu weder eine Vertragsnummer noch nenne ich meinen Namen. Denn kaum
trete ich meist sommers durch die Bürotür, kreischen die drei Grazien, die den
Laden schmeißen: „Babbo Natale! Babbo Natale!“ Und dann muss
ich erst mal lange von dem Land im hohen Norden erzählen, während sie auswendig
meine Daten im Computer aufrufen...
Geht die Zweitbeste mal alleine über den
Markt, wird sie mittlerweile mehr als einmal gefragt, wo denn ihr Babbo
Natale stecke.
Mich trifft angesichts dieses einprägsamen Signalements
(Obelix bin ich ja auch nicht los geworden) die schreckliche Erkenntnis, dass
ich die uns drohende Altersarmut so weder als Spion noch als Bankräuber mildern
könnte. Stellt Euch nur mal vor, ich raube – was mir gut zu Gesicht stünde - die Banca
Ambrosiana aus...
Die Carabinieri bräuchten ja nur das Personal
zu befragen:
„Das war der Babbo Natale, der wohnt
hoch in den Bergen an einer Piazza, über der noch im Juli der Weihnachtsstern
hängt!“
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