Zugegeben! Zunächst waren wir doch sehr irritiert vom plötzlich über die Piazza hereinbrechenden Leben. Es gab ja nur das Visavis mit den Musik-Professoren und die gelegentlichen Traversen der Nachbarn. Aber seit der ersten Hälfte des Augusts und dann besonders rund um Ferragosto war die Piazza eine Party-Meile. Pures italienisches Leben, wie wir es aus der Vergangenheit und den Fellini-Filmen kannten.
La Perla und ihr Daniele erfreuen sich eben großer Beliebtheit im Borgo. Da kommt auch der gelegentlich mal vorbei schauende Hotelier aus Rom nicht gegen seine Mutter an. So wie es aussieht, wird sie ihr Haus wieder in Vollzeit bewohnen, und das ist gut so. Trotz ihrer Parkinson-Erkrankung mobilisiert sie ihre ebenfalls betagte Nachbarschaft zu mehr Miteinander. An heißen Tagen sitzt der sonst so einsame Vicenzo bereits in den frühen Morgenstunden wie eine Lebend-Installation draußen vorm Haus der ehemaligen Gymnasial-Lehrerin. Wenn die dann ihre tägliche Morgenrunde von der Piazza hinunter in die Via Colombo und zurück durch den nördlichen Torbogen der Piazza gemacht hat, kommt Leben auf die Piazza. Denn auch die Zwei von den Zinnen gegenüber sind froh über die neuen Gesprächspartner im Eckhaus. Da müssen sie nicht mehr mit uns radebrechen, sondern können sich auch über die Tagespolitik auslassen, zumal das so unterschiedliche Ehepaar mit den Professori in gleicher, leicht linkslastiger Wellenlänge sendet...
Jetzt, da die heißen Tage vorbei sind und der Schatten sich fast den ganzen Tag über die Piazza legt, kommt eine alte Leidenschaft der Nachbarschaft wieder voll zum Zuge: Das Karteln.
Für Vicenzo und unsere Bürgermeisters-Witwe könnte es nicht bequemer sein. Sie müssen nun nicht mehr so oft in den Hauptort hinunter, um ihrer Leidenschaft zu frönen. Und eine Vierer-Runde findet sich immer, weil auch erstaunlicher Weise die Professori nichts gegen ein temperamentvollen Karten-Klopfen nach alter Sitte haben. Und temperamentvoll geht es beinahe immer zu, weil die wechselnden Buben im Quartett wohl von den Damen verschiedenster Couleur stets abgezockt werden.
Vicenzo hört man immer am lautesten protestieren, wenn sich einmal mehr das Blatt gegen ihn gewendet hat. Und auch Daniele setzt wohl öfter auf die falsche Karte. Einmal sprang er verzweifelt auf und rannte kopfschüttelnd aber doch auch stolz grinsend die Piazza-Treppe hinunter, um sich um Feriengäste zu kümmern. Als ich ihm nachrief, ob er wieder einmal verloren hätte, meinte er nur verschmitzt:
"Sono squali le signiore" Diese Frauen sind Haie.
Während dessen zählten die Bürgermeister-Witwe (83) und La Perla (77) genüsslich und in aller Ruhe
die Punkte ihrer Stiche zusammen...
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