Dienstag, 28. September 2021

Die Wander-Venus

Je Tiefer die Sonne zum Herbstbeginn steht, desto präziser zeigt unsere "Armlose Venus" in der Terrassen-Ecke, die Stunde an, in der wir unsere Gläser zu einem Brindisi auf die letzten Wochen hier erheben. Fare un brindisi hat ursächlich nichts mit der zauberhaften Hafenstadt am Sporn des italienischen Stiefels zu tun, sondern mit verballhorntem Deutsch: "Bring dir was! Si!" So sagten wohl auf Deutsch die Bedienungen in den hiesigen Tavernen schon vor Jahrhunderten zu den deutschen Seemännern, damit sie sich beim Saufen wohl fühlten. Das schliff sich im Laufe der Zeit ab und hörte sich dann an wie der bei den Deutschen Reisenden in früheren Jahren einst so beliebte Fährhafen für den leichteren Seeweg nach Griechenland.

Was das nun mit der "Armlosen Venus" von Milo zu tun hat? Als sie noch die "Zweitbeste Ehefrau von allen" war, kaufte die als Schnäppchen-Jägerin  bekannte für unseren großen Münchner Garten im Alleingang ein übrig gebliebenes Konvolut an Garten-Dekoration aus Spritzbeton. An das Gejammer der Möbelpacker beim Raufschleppen auf Piazza und  Terrasse möchte ich mich noch heute nicht gerne erinnern. Dann stand die Schönheit jedenfalls derart in der Ecke, dass sie zu einer Art Sonnenuhr wurde. Je nach Sommer- oder Winterzeit wussten wir jedenfalls so immer, wann die Zeit für den ersten Drink des Nachmittags war...

Anderthalb Jahrzehnte schliffen dann der  Schirokko mit seinem transportierten Sahara-Sand und der Tramontana mit diesen immensen Sturzbächen die Venus derart ab, dass sie ihre Locken zusehends verlor und das klassische Profil so weich wurde, dass sie meiner verstorbenen Schwiegermutter im Profil mit ihrer flotten Kurzhaar-Frisur immer ähnlicher wurde. Dazu muss ich aus meiner Sicht des Schwiegersohns sagen, dass sie dem gängigen Klischee in keinster Weise entsprach und ich sie sehr verehrte. Der überraschend hohe Anteil ihrer Hinterlassenschaft für meine Frau sorgte zudem dafür, dass wir bei der Suche nach einem Altersdomizil  in Ligurien landeten (und nicht - wie von mir geplant - an der Cote d'Argent unweit von Bordeaux).

Anna-Elisabeth zu Ehren trägt unser Haus hier nicht nur ihren Namen sondern aus dem ohnehin kitschigen Vorbild der nachgegossenen Venus von Milo wurde nach der Wanderschaft  ein Unikat: Nämlich die Wolken-Anne vom Borgo...


 

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