Sonntag, 30. Juni 2024

Kein kleineres Übel stünde zur Wahl

 Mit meinen 75 Jahren Lebenserfahrung macht es mich zwar zunehmend nervöser, dass ich mitten unterm Reden und leider auch beim Schreiben öfter mal den Faden verliere. Aber ich will ja auch nicht Präsident der Vereinigten Staaten werden. - UND - das ist eben noch viel wichtiger - ich habe nicht den FINGER AM BUZZER!!!

Bricht in der Nacht des 5. November die ewige Finsternis über uns herein, weil die Supermacht, die uns die meisten Nobelpreisträger, die großartigsten Dichter und Komponisten der Moderne und den bislang funktionierenden Sicherheitsfaktor Atombombe gebracht hat, unter ihren schätzungsweise 340 000 000 Bürgern keine besseren Kandidaten für die Präsidentschaft findet?

Pöbeln, Lügen und verächtlich machen auf beiden Seiten
- nur von Trump mit mehr Power und schauspielerischen Können

Ein Lügner und Straftäter als erneuter Herausforderer oder ein zunehmend dement erscheinender, amtierender Präsident sollen das Gegengewicht zu Putin und Xi sein? Selbst wenn Trump gewänne und es ihm gelänge in seiner zweiten Amtszeit aus den USA unter seiner dauerhaften Führung eine Autokratie für seinen Clan zu formen, veränderte es die herrschenden Machtblöcke nicht; vor allem wenn er gleichzeitig die NATO schwächt oder verlässt.

Aber wer garantiert andererseits der Welt bei einer mittlerweile zweifelhaften Wiederwahl Bidens, dass dessen Entourage seinen zunehmenden geistigen Verfall nicht dazu nutzt, ihn in irgendeine gefährliche Richtung zu manipulieren?

Derweil ist hier in einem noch längst nicht gefestigten Europa ein gefährlicher Richtungskampf entbrannt. Bei dem kann man letztlich nur hoffen, dass Trump unter denen, die die EU erst nach rechts rücken und dann wieder abschaffen wollen nicht noch mehr Gleichgesonnene findet.

Dass Trump ein rachsüchtiger Herrscher sein wird, daran besteht ja jetzt schon kein Zweifel. Er, der wohl kein Wahl-Ergebnis akzeptierte, das ihn nicht zum Präsidenten macht, hat ja schon angekündigt, er werde den Ukraine-Krieg innerhalb eines Tages beenden. Logisch ginge das nur, indem er Putin nicht nur die annektierten Gebiete zuspricht, sondern ihm auch gleichzeitig signalisiert, er, der Zar - "the nice guy" - könne mit Europa machen, was er wolle. So lange er allerdings ihn und "America First" nicht behellige.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Demokraten auf ihrem Nominierungsparteitag im August ihrem bisherigen Kandidaten die Gefolgschaft verweigern und einen Phönix aus dieser ansonsten zu Asche verglühenden Partei zaubern...

Die Amis tun mir leid, denn sie können ja noch nicht einmal ein kleineres Übel wählen.




Ab morgen erscheinen übrigens in loser Folge auch Geschichten zu meinen Bildern im Blog "Der Burgschreiber." Macht vielleicht Spaß, zu lesen, was es mit ihnen so auf sich hatte...

Donnerstag, 27. Juni 2024

Wetter mit allen Wassern gewaschen

Meine Burg-Bauernregel besagt: Plagt den Blogger eine Bloggade, schreibt er über die Hitzegrade. Pustekuchen! Von wegen Hitze. Seit bald drei Wochen schauen wir auf die Temperaturen in München, und es packt uns blanker Neid, weil wir auf der Burg aus den Pullovern nicht heraus kommen. Der Juni hat das hier schon öfter gemacht. Uns herauszufordern, tatsächlich noch die Heizung anzuwerfen.  

Unsere Schweizer Edelgärtnerin erzählte, dass sei schon das ganze Jahr so. Deshalb sei im Orto alles viel zu spät dran, und ihre Hühner legten nur kleine Eier.

Der feuchte Nebeldunst, der seit unserer Ankunft die Sonne verschleiert, hat es in sich, denn er steckt voller Sahara-Staub. Die Fenster sind graugelb verschmiert und die fürsorglichste aller meiner Ehefrauen kämpft immer noch einen aussichtslosen Kampf, die Fliesen und die Blumen auf der Dachterrasse wieder und wieder von den Schlieren zu säubern.

Kommt stärkerer Wind aus Südwest, reißt er zwar den Nebel auf, aber bringt auch Nachschub aus der Wüste. Wenn mein Computer automatisch als Vorschau "soleggiato" - also sonnig - ankündigt, vermeldet er nur die halbe Wahrheit. Er verschweigt, dass hinter jedem zweiten Sonnenloch, Wolken-Geschwader bedrohlich langsam auf uns zuziehen. Hinter zwei weißen Wattebäuschen lauert wieder eine dunkelschwarze, wasserschwere Wolke, die, um über den Ginster-Pass zu kommen, einfach ihr Wasser ablässt. Das ist dann kein feiner Sonnen-Regen, sondern der Regen platscht im Schwall herunter, als öffnete einer uns Feuerflieger gezielt seine Luke. Dann ist es in Kombination mit dem nächsten Sonnenloch für Stunden so, als hätte ein Wetter-Riese auf den Dächern des Burgbergs einen Sauna-Aufguss gemacht. Gesund geht anders.

Aber dürfen wir uns über so harmlose Wetter-Kapriolen überhaupt noch aufregen, wenn andernorts Wasser hernieder bricht, das mit allen Wassern gewaschen ist, und die Infrastruktur mit unbegreiflicher Wucht zerstört? Gerade noch sind wir vom San Bernardino heruntergefahren und haben auf einer Steilrampe hoch über dem Ticino übernachtet. Vor ein paar Tagen hat er die relativ neue Autobahn-Brücke bei Lostallo derart fortgerissen, dass bis Ende nächsten Monats zumindest eine Fahrbahn wieder hergerichtet werden muss, um die Schweiz vor dem Verkehrs-Kollaps in den großen Ferien zu bewahren.
Quellen: NZZ, ad-hoc-news.de und Tagesanzeiger
Die Autobahnbrücke bei Lostallo

Zerstört: das Zentrum von Zermatt

Und in meinem einstigen Lieblings-Skiort Zermatt hat das Wasser Felsen durch die Gassen geschoben und den Ort von der Außenwelt abgeschnitten, weil davon ja auch die Bahn betroffen war.

Dass es angesichts der Zunahme weltweiter vom Wetter bedingter Katastrophen überhaupt noch Leugner des extremen Klimawandels gibt und die Politik trotz aller Lippen-Bekenntnisse nur im Schneckentempo dagegen angeht, ängstigt mich nicht mehr. Die Angst wich schleichend einem Fatalismus, mit dem ich mir vor Augen führe, dass wir Menschen noch nicht einmal eine Mikrobe in der Erdgeschichte waren und sein werden.

Fassungslos steht ein Ammann vor Tonnenschwere Felsen. Die trieb das
Bächlein Trifti nach Zermatt hinunter

Wenn die Antarktis einst ein Dschungel-Paradies war, und unser geeintes Europa Meeresgrund, dann ist die Frage, ob es die Erde in Äonen noch gibt, überflüssig.

Es ist auch egal, ob die Auswirkungen der Klimakatastrophe nach der Erderwärmung in einer weitere Eiszeit enden. Galaktisch gedacht hat sich bei Astronomen in jüngster Zeit eine Theorie verbreitet, nach der man sich unsere Galaxis wie ein Tropfen in einem Regen von unzähligen Galaxien vorstellen müsse.

Ja wenn das so ist, dann wird die Aufforderung "carpe diem" noch sinnvoller für die aktuellen Generationen. Nur sollten die sich endlich nicht weiter mit Kriegstreiberei und Wertzuwachs verbringen; lieber mit Liebe und den Aggregatszuständen des puren Lebens...

 Auf ihr letzten Ritter des Glücks!

Quelle: freepik


Mittwoch, 26. Juni 2024

Doch noch einmal Fußball

 Heute vor 50 Jahren näherte sich der Höhepunkt meiner kurzen Karriere als Fußball-Schreiber. Weil ich zuvor schon viele Beiträge über Fußballer der Vergangenheit verfasst hatte und obendrein an fußballhistorischen Folianten mitgewirkt hatte, wurde ich nicht nur damit beauftragt, den Ghostwriter für die Fußball-Legende Fritz Walter zu geben, sondern man traute mir auch Reportagen über einige Schlüsselspiele an. Der Grund: Ich war schnell, denn das Buch sollte am Tag nach dem Endspiel im Handel sein.

Quelle: Copress

In den ICC-Zügen der Bundesbahn gab es damals schon ein Sekretariat, das ich bei der Hetze von einem Austragungsort zum nächsten für die Reinschrift nutzte. Wenn ich in München ankam, stand bereits ein Setzerei-Bote bereit, um meine Manuskripte in die Produktion zu bringen. Gute alte Zeit. Heute schickt man die Texte mit der Return-Taste direkt in die Druckerei. Ich selbst habe ja am Ende meines Arbeitslebens schon ganze Bücher ohne Papierfassung CTP (Computer To Plate) imprimiert.

Das Endspiel mit Weltmeister Deutschland durfte ich dann nur noch als "Fritz Walter" kommentieren. Meine definitiv letzte Arbeit zum Thema. Ich hatte die Vorgabe das Pfälzische Idiom von Fritz möglichst in seiner Syntax zu erhalten. Dafür musste ich vorher nur den Telefonhörer auf das Aufnahmegerät legen. Als der ORF 3 das Buch Tage später besprach, hätte ich vor Schreck fast auf der Inntal-Autobahn einen Unfall verursacht. Der Rezensent kam nämlich zu dem Urteil, dass "unser Werk", von Fitz Walter herausgegeben, eines der kompetentesten sei, er aber das selber Schreiben lieber den Profis überlassen sollte...

Bis heute habe ich nie wieder eine Zeile über Fußball geschrieben, und ich bin wirklich froh, dass ich das nicht mehr muss.
In den 50 Jahren ist Fußball ja zur weltweiten Geldmaschine geworden, und das wird auch bei der aktuellen EURO24 immer deutlicher. Die Spieler sind infolgedessen zu Künstlern und Akrobaten mutiert, die mit aufgeputzten Frisuren eine Athletik und Schnelligkeit auf den Rasen zaubern, die ohne die Zeitlupen-Einspielungen aus allen Winkeln, die Wiederholungen und die Video-Beweise oft für den Zuseher kaum noch nachvollziehbar sind. Die Schlachtenbummler rotten sich derweil - verkleidet wie Indigene auf dem Kriegspfad (komme ich ins Fernsehen?) - in fanatischen Fan-Kurven zusammen, zünden bengalische Lichter und erzeugt Lärmkulissen, die einem alten Mann wie mir schon mal Angst einjagen.

Damit ich richtig verstanden werde: Dieser Fußball passt in unsere Gegenwart, und doch geht es am Ende noch immer nur darum, ob das Runde in das Eckige gegangen ist.
Wenn ich meinen entsprechenden Sachverstand nicht verloren habe, dann tun sich Deutsche Mannschaften weiterhin schwer, wenn sie bereits an der eigenen Strafraumgrenze von giftigen Gegenspielern attackiert werden und vor dem gegnerischen Tor gar eine Fünfer-Kette wartet...
Die Ungarn haben das bei der EURO24 schon wieder entdeckt,  und die Schweizer haben diese Methode fast zur Perfektion imitiert und beinahe gewonnen.

Ich wage daher die Prognose, dass derzeit nur diese eine Mannschaft durch ihr stoisch überlegenes Pass-Spiel und die virtuose Ballbehandlung bis zum Ende mit jeder Taktik fertig wird:

Die Spanier!

Quelle: DFB


Montag, 24. Juni 2024

Stärkste Kraft in einem gelähmten Land?

Quelle: RP Online
Wenn sie selbst den Papst
einfliegen lassen kann...
Giorgia Meloni kann Weltpolitik. Das ist allen Fürsten der G7-Staaten nach dem Gipfel klar, und sie ist mit Marie Le Pen auch die Hoffnungsträgerin für das deutlich nach rechts gerückte Europa. Das nationalpopulistische Element nutzt das kleine Energiebündel - bereits an der Macht - derzeit aber schon viel besser als die Französin. Die Europa-Wahl machte sie erneut zur stärksten Kraft in einem innenpolitisch nahezu gelähmten Land, dessen Parteien-Vielfalt verteufelt an die Ohnmacht Weimarer Verhältnisse erinnert.

Dass Meloni die mussolinische Klaviatur trotz ihrer Jugend virtuos bedient, kann ich nur erahnen, weil ich die Nazi-Zeit ja nur aus Geschichtsbüchern kenne. Aber ich habe die Signale der Außenwirkung  - wohl wegen meines Misstrauens - schon jetzt mit Befremden wahrgenommen:

Quelle süddeutsche-zeitung.de
Meloni empfängt die westlichen Weltmächte blond gelockt wie ein Engelchen im rosa Designer-Hosenanzug ausgerechnet im Apulischen Luxus-Resort Borgo Egnazia. Damit rückt sie nicht nur das Luxus-Mode-Designer-Land Italien ins Bild, sondern den bislang als unterprivilegiert wahrgenommenen Mezzogiorno.  Auch wirbt sie famos für das Touristik-Land Italien, das - seit sie an der Macht ist - auf einmal wieder wachsende Besucherströme aus den USA verzeichnet.
Bei der Leichtathletik-Europameisterschaft haben Italiens Sportler so viele Goldmedaillen abgeräumt wie nie zuvor. Und auch die Squadra Azurra soll großzügig unterstütz diesen sportpolitischen Marsch zur Super-Sportnation möglichst unterstreichen  (-wenn sie nicht zu viele Eigentore schießt)... 

                                                  Deutschland                 Italien
Staatsverschuldung:    2461,4 Milliarden       2,86 Billionen
Inflationsrate                  2,5 Prozent                   11,8 Prozent

Wo kommt denn all das Geld nur her? Haben die denn weder einen Christian Lindner noch eine Schuldenbremse? Hier an der ligurischen Küste kann jeder nach der Schwächung durch die Korona-Jahre überall eine verstärkte Bautätigkeit feststellen. In Imperia wird die Struktur der alten Eisenbahn-Trasse nach Jahren der Untätigkeit gegen den Verkehrsstau  in beschleunigte, innerstädtische Verkehrswege integriert. In Santo Stefano al Mare hat ein riesiger Park-Garagen-Komplex, der mindestens ein Jahrzehnt vor sich hin gammelte, offenbar die nötigen Geldmittel für die Fertigstellung bekommen, und gleichzeitig wird der Lungomare  dort auch noch entspannt und aufgehübscht.

Spürbar mehr wird auch in die touristische Infrastruktur des agrarpolitisch verkümmernden Hinterlandes investiert. Nicht nur von den Janusköpfen in unserer Borgata (wie im letzten Post vermutet). Hier - nur ein paar Serpentinen von unserem Dorf entfernt - ist quasi über Nacht eine weiter wachsende Glamping-Anlage auf die Faschen gezaubert worden. Was möglicherweise darauf hinweist, dass bald auch Leerstände wie in unserer Borgata leichter für touristische Zwecke umgewidmet werden könnten.


 Fotos: booking.com
Der Rückenwind, der Giorgia Meloni gerade vorantreibt, wird in jedem Fall auch die erneute Kandidatur von Ursula von der Leyen tangieren. Da will Italiens Ministerpräsidentin, die sich derzeit von Macron und Scholz nicht genügend respektiert fühlt, nun ein gewichtiges Wort mitreden wollen. Auf "Augenhöhe" qua Körpergröße klappt das zwischen den Dreien ja schon... 
Weil es offenbar kein offizielles oder harmonisches Foto von dem Trio gab, textete der Populist und Propagandist für diese "Wiedergeburt Italiens", Nicola Porro, zu dieser rosigen Montage:

Ue pentita, critiche a Scholz e Macron: “Hanno mancato di rispetto a Meloni”: textete Nicola Porro* 

*EU reuig, Kritik an Scholz und Macron:„ Sie haben Meloni nicht respektiert“





Freitag, 21. Juni 2024

Die streitbaren Janus-Köpfe

Um den heutigen Post ein wenig Hintergrund zu geben, bedarf es einer längeren Einleitung:
Kurz vor unserer Abreise, beim Durchstöbern unserer Bibliothek nach noch nicht Gelesenem, stieß die fürsorglichste aller meiner Ehefrauen auf eine Brieftasche zwischen den Büchern. Wie sie da hingekommen ist, weiß niemand, denn in ihr waren echte Manuskripte, also mit der Hand geschriebene Blätter aus meine Anfangszeit als Schreiberling. Ich habe mein Lebtag nichts von meinen Texten gesammelt, bis ich mit meinen Blogs anfing!.
Unter anderen fand ich da - muffig riechend - meine Streitschrift um Anerkennung als Kriegsdienst-Verweigerer. Die werde ich im kommenden Herbst aus dem Glashaus veröffentlichen, wenn die Wiedereinführung der Wehrpflicht dann immer noch Thema bleiben sollte.
Aber der heutige Post wurde durch meine über ein paar Kapitel entworfene Roman-Figur Janus befeuert. Janus wurde als Kind mit zwei Gesichtern geboren und so lange weg gesperrt, bis seine Haare lang genug waren, das jeweils nicht passende mit der Mähne zu verdecken. Der Gott der Tür, des Gestern und des Morgen, aber auch der Gott der bösen oder guten Stimmung hat mich immer schon aus der Mythologie am meisten fasziniert. Die ersten Kapitel waren eigentlich so übel nicht, weshalb ich nicht mehr weiß, weshalb ich nicht damals noch als Buchhändler-Lehrling weiter geschrieben habe...

Quelle: pixabay
Besser, nur die lächelnden Gesichter wahrnehmen!

Jetzt - beinahe sechzig Jahre später zufällig (?) - beschäftig mich das menschliche Wesen symbolisiert im Janus erneut. In meiner Abwesenheit sind hier bauliche Veränderungen rund um die Piazza vorgenommen worden, die mir Rätsel aufgeben, aber auch ein ungutes Licht auf die Vetternwirtschaft hier im Borgo wirft. Vor unserem zwangsweisen Verlassen im vergangenen Sommer waren zwei Lagerräume von einem Baustopp belegt, weil ihre Eigentümer sie wohl klammheimlich als Ferienwohnungen umwidmen wollten.
Jetzt sind sie dennoch mit wunderschönen Fenstern und Türen ausgestattet und warten wohl auf den Segen des Sindaco. Denn beide Eigentümer-Familien gehören schon immer zu seinem "Wahlvolk". Offenbar gibt es da auch im Italienischen Baurecht einen Passus, der bauliche Veränderungen sanktioniert, wenn man sie danach nur einfach eine weile ungenutzt so stehen lässt. Die Nachbarn, denen das eigentlich recht sein müsste, wenn unser Ort dadurch schöner wird, beobachten derartiges Vorsehen mit Argwohn und melden das - meistens aus Missgunst und weniger, weil sie das Recht gewahrt wissen wollen. Im Zweifel wird hin und her geklagt, und das kann dann dauern. Alte Freundschaften zerbrechen, und es wird in den Lagern nicht selten eine böse Gerüchte-Küche angeheizt.

Das erklärt vielleicht, wieso mir kürzlich jemand erzählt hat, dass unsere Gemeinde, die in Ligurien mit den meisten anhängigen Gerichtsverfahren sei. Sporgere denuncia - also Anzeige erstatten - ist ein wahrer Volkssport hier oben. Gleich im ersten Jahr hier sind wir selbst davon betroffen gewesen, weil wir die brüchige Trockenmauer über unserer Terrasse mit einer festen Säulen-Reihe "durchsichtig" gemacht haben. Der selbe "Anzeiger" hat dann 20 Jahre später versucht, uns für Wasserschäden hinter seiner verrotteten Fassade haftbar zu machen. Als ob Wasser eine Trockenmauer hochklettern könnte...

Wie in Deutschland so fehlen auch in Italien hunderte, wenn nicht tausende Richter, weshalb sich jeder gleich mehrmals überlegt, ob er klagen sollte. Selbst Ausländer, die hier gegen Ausländer klagen wollten, mussten bald einsehen, dass eine gütliche Einigung sich besser rechnet. Denn schurkische Anwälte, die familiäre Wurzeln hier haben, treten gerne mal auf die einträgliche Verzögerungsbremse, und stellen gerne - kostenpflichtig natürlich - Antrag um Antrag, bis sie vorschlagen, die jeweilige Sache doch besser auf sich beruhen zu lassen.

Wir halten uns daher schon lange aus jeglicher Parteilichkeit heraus. Weil wir wissen, dass liebe Nachbarn, die uns herzlich umarmen und abküssen oder mit Freude am Cena in Piazza teilnehmen, auch Händel haben, die wir nicht begreifen. Beispielsweise wenn ein Nachbar für Ausbesserungsarbeiten leichter über den Grundbesitz des anderen an seine Baustelle gelangen könnte, ihm das aber verwehrt wird, weil man wegen der Verbesserung neidisch ist.  Oder besser noch, lieber boshaft verfolgen möchte, wie er dann mit Schubkarren das Baumaterial mühsam durch die Gassen und über die Treppen transportieren muss.

Warum's jemandem leicht machen, wenn's doch auch
kompliziert geht. Die Tagelöhner aus Tunesien danken es den Janus-Köpfen...

Wie sind zu alt, um uns noch darüber zu ärgern oder zu wundern. Wir nehmen einfach nur noch die freundlich lächelnden Gesichter der streitbaren Janus-Köpfe hier wahr. Dennoch war ich bei meinem Status als Ausländer überrascht, wie sehr an meinem Unfall Anteil genommen wurde und wie sehr sich  die Nachbarschaft freut, dass ich doch wieder da bin


Dienstag, 18. Juni 2024

Wie werden wir uns verhalten?

 Weltweit leisten Forschende Millionen an Arbeitsstunden und wenden dabei Milliarden für empfindlichste Messgeräte auf, um Leben in jeglicher Form bis hinein in den mikroskopischen Bereich nach Verhaltensweisen zu analysieren. Um das Verhalten der Menschen selbst zu ergründen, gibt es die Demoskopie.

Wir wissen, dass der Dreistachlige Stichling seine gesamte Brut verschlingt, wenn er von Rivalen befruchtete Eier in seinem Gelege entdeckt, aber keiner kann wirklich erklären, was die eigentlichen Impulse sind, die zu dem aktuellen, internationalen Rechtsruck führen, der Demokratien durch demokratische Vorgänge bedroht. Es lässt sich nicht alles auf Putin schieben.

Quelle: SPIEGEL
Der Mensch neigt leider eher zur Schwarm-Blödheit

Was, wenn ein bislang nicht erforschter Instinkt im Menschen, dieses in der Geschichte immer wiederkehrende Phänomen auslöst? Eine Art Schwarmverhalten aus der Angst, etwas Schlimmes stehe der Menschheit bevor, das nur von Alleinherrschern aufgehalten werden könne?

Seit der Volkerwanderung in der Alten Welt waren nicht mehr so viele Menschen global auf der Flucht. Ende 2023 waren das mehr als 120 Millionen. Mehr als die Hälfte davon waren sogenannte Binnenflüchtlinge. Menschen, die im eigenen Land ihr Heim verließen...

Treibt der Instinkt Tiere zu so einem Verhalten, wittern sie eine unbekannte schwere Bedrohung. Das Wissen um die Klima-Katastrophe mit der Aussicht auf immer größer werdenden Hunger und Durst treibt die Ärmsten der Armen aber ausgerechnet dorthin, wo die Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung derzeit am größten ist. Wo die Leute offenbar eine starke Hand wollen, die undemokratisch der nicht mehr verständlichen Politik mit "klarer Kante" ein Ende setzt.

Quelle: 123RF
Dazu stehen so viele atomare Sprengköpfe weltweit auf Raketen einsatzbereit und zielgerichtet wie noch nie zuvor. Die SIPRI meldete diese Woche, dass es zwar insgesamt weniger Atombomben gäbe, nämlich "nur noch" 12.500. Dafür seien davon aber mehr als 9.500 unmittelbar einsatzbereit und werden deshalb auch wieder stärker als im "Kalten Krieg" - zum Drohpotenzial. Mehr als genug, um den blauen Planeten in blauen Dunst zu verwandeln!

Eine historische Regel sollte daher bei den noch anstehenden Wahlen im Hinterkopf aller Freien verankert sein: Je konzentrierter die Macht auf Wenige, desto größer ist die Gefahr eines Krieges. Diktaturen haben die Welt noch nie gerettet. Starke Demokratien schon!

Quelle: pinterest

Sonntag, 16. Juni 2024

Gestürzt, aber nicht aus der Zeit gefallen

In einer Borgata, in dem Kinder nur währende der Ferien herumtollen, und das Durchschnittsalter der ständigen Bewohner so um die 70 ist, schlägt der Schnitter natürlich häufiger zu. 

Las dem dicken Agnostiker
immer wieder die Leviten:
Die tapfere Seelensammlerin
Signora Elsa

Verlassen, aber hoffentlich nicht von ihrem Signore, ist die geliebt gefürchtete "Seelensammlerin" von uns gegangen. Der habe ich gerne und voller Respekt einige Posts für ihre zumindest noch zeitweilige Unsterblichkeit gewidmet. Elsa ist kläglich - und vom Staat erzwungenermaßen in ihrem Cas di Riposo gestorben. Sie wäre vermögend genug gewesen, um hier in ihrer geliebten Umgebung mit einer Tagespflege ein paar Jahre mehr und achtvoller zu leben.

Mein Freund Peter von gegenüber ist nach einigen Operationen daheim gestürzt und an den Folgen mit weit über 80 gestorben. Ich erinnere mich noch daran wie er vor ein paar Jahren frei mit dem Rücken zum Abgrund auf der  obersten Empore seines Hauses dem Fernsehtechniker Anweisungen bei der Montage gegeben hat. Uns schmerzte es, dass wir nicht zu seiner Beerdigung konnten, weil sich die Fürsorglichste da um den Nachlass ihres Bruders kümmern musste, der 65 Jahre in der elterlichen Wohnung weiter gelebt hatte. Unglaublich, was sich da angesammelt hat...

Aus dem vergangenen Jahr:
Das perfekte Paar.
In memoriam Peter
Peters Witwe - auch schon 80 - will alleine Ende des Monats anreisen. Sie ist eine starke, kleine Frau, die das wohl schafft. Ich bewundere sie sehr dafür, denn ich hatte drei Tage zu kämpfen, um das Trauma meines Treppensturzes hier vor bald einem Jahr zu überwinden. - Die körperliche Reaktion meiner geschädigten Seite nach all den "Babyschritten" möchte ich (33 Kilo leichter) gar nicht erst beschreiben.

Die Zeit ist also wegen mir nicht stehen geblieben, und ich bin auch nicht aus ihr gefallen. Immerhin bin ich mit Hilfe eines Alpenstocks aus dem Nachlass des Schwagers, der schon dessen Großvater gestützt hatte, wieder in der Lage gewesen, Großteile unseres Gepäcks und erste Vorräte nonstop hinauf zur Piazza zu schleppen. 

Es wird schon wieder werden - mit dem alten Burggeist! Die Magie dieses "Zauberberges" gibt mir täglich ein Quäntchen Kraft zurück

Loslassen für das alte
und immer wieder neue Piazza-Gefühl!

Freitag, 14. Juni 2024

In Erklärungsnot

 Als einer, der seit einem Vierteljahrhundert seinen Zweitwohnsitz in Italien hat, treibt mich eine Woche später das Ergebnis der Europawahl  immer noch um. Ich bin ja nicht so naiv, zu glauben, dass Äußerungen und Interpretationen von Politikern von dem Willen zur Wahrheit geprägt werden. Es geht vielmehr darum, dem politischen Gegner - wenn er Verluste hat hinnehmen müssen - noch schädigender ans Bein zu pinkeln.

Wenn ein ministerieller Totalversager wie Jens Spahn aber schon Stunden nach der Wahl öffentlich rechtlich verkünden darf, die Ampel sei abgewählt und das Erstarken der AfD sei allein Schuld des Kanzlers, geht das meiner Ansicht nach zu weit. Hat denn er Gesundheits-Reform-Verzögerer denn total vergessen, dass es schon unter seiner Kanzlerin hieß "Merkel muss weg", und hält er uns Mitdenkende für blöd, wenn er behauptet, die Ampel sei bei der Europawahl (!) abgewählt worden. Sie hat zurecht einen Denkzettel für Unvermittelbares bekommen, aber Rechnerisch liegt sie in Europa (!) gleichauf mit den Christlichsozialen. Sollten die aber nicht vor allen das Achte Gebot respektieren, nicht falsch Zeugnis zu reden wider Deinen Nächsten?

Und wenn Olaf Scholz in der Verantwortung für den Rechtsruck wäre. Wie sehr sind es dann seine europäischen Mitregenten in ihren Ländern, denn mit Ausnahme von Polen haben die Populisten und Ultrarechten doch wesentlich kräftiger zugelegt als die AfD in Deutschland. Hält sich da ein zutiefst nationalistischer Kanzler-Kandidat Marcus Söder (Slogan: Für ein starkes Bayern in Europa) womöglich ein Törchen in der "Brandmauer" zur AfD frei? Wer solche Narrative einstudiert herunterleiert wie der ehemalige Gesundheitsminister, trägt doch auch eine Mitschuld, wenn er den Kanon des "gemeinsam gegen Rechts" mit solchen "Analysen" schwächt.

Quelle: tagesschau.de
Was, wenn Schneewittches böse Stiefmutter zum Zünglein an  der Waage wird?

Ich sage voraus, dass gegen ein weiteres Erstarken des Nationalismus in ganz Europa nur Koalitionen der Gemäßigten helfen.

Denn Meloni und Le Pen haben mit ihren "Charme-Offensiven" längst eine Verkleidung gefunden, die sie zu reißenden Wölfinnen im Schafsfell machen, die tumbe Lämmer gar nicht erst zur Schlachtbank führen, sondern einfach verschlingen.

Mal sehen, was die Gastgeberin des G7-Gipfels so alles an gefährlicher Saat säht, gegen die dann auch kein Glyphosat mehr hilft.  In Europa Kreide gurgeln, aber daheim eine "mussolinische" Staatsmacht etablieren. Auch das hatten wir schon einmal.

Quelle: Luxemburger Wort
Giogia Melon: Mit dem kralligen Charme einer Schmusekatze

Donnerstag, 13. Juni 2024

Von wegen Etappe

Wieviel Glück verträgt der Mensch im Unglück?
Ja, jetzt sind wir doch schon so alt, dass wir in zwei Etappen nach Italien wechseln müssen. Aber die halbe Strecke benötigt die doppelte Aufmerksamkeit. Dabei wollte mir die fürsorglichste all meiner Ehefrauen doch nur helfen, die knifflige Auffahrt zu unserer Unterkunft über dem Tal des Ticino zu finden. Weil sie links guckte, steuerte sie rechts an die Bordstein-Kante. Im grauen Licht des Schleier-Regens war  nur ein kleiner Schnitt zu sehen. Sonntagabend im Schweizer Nirgendwo? Wir wollten nichts wie weiter, aber was für ein Leichtsinn!


Die schmalen Serpentinen von Roveredo hinauf nach Verdabbio hätten schon den Sturz aus dem Paradies bedeuten können. Das versteckt am Berg liegende B&B, durch das man erst kommt, wenn man den sandigen Weg durch den Finsterwald nimmt, verschlug uns aber dann derart den Atem, dass wir den möglichen Reifenschaden sofort verdrängten:


Erninia die Wirtin erwartete uns schon mit ihrer Mutter am gemütlich flackernden Kamin. Es gab eine Marend mit Schinken aus eigener Produktion mit süffigem Weißwein sowie Kirschen aus Nachbars Garten. Später bekamen wir dann zum Abendessen, das, was die Großfamilie, die sich scheinbar wie gewohnt sonntags einfand, auch aufgetischt bekam. Glückselig fielen wir in dem schönen Doppelzimmer mit Balkon und Bad direkt daneben, in einen Schlaf, der trotz Blitz, Donner und Regenschwall so tief war, wie lange nicht. Aber seht selbst:

 

Als der Reifen am nächsten Morgen nicht so aussah, als habe er Luft verloren, fuhren wie arglos unter dem leer gefegten Himmel durch dieses einzigartige Panorama. Wir kamen bis kurz hinter Albisola an der ligurischen Küste. In einer scharfen Kurve mit Metall-Querrippen kurz vor Savona machte es bei der dritten Peng. Mein Frau reagierte glänzend, aber wir mussten aus dem direkt anschließenden Tunnel raus. Auf der flatternden Felge schafften wir das gerade noch.

Aber dann geschah das erste Wunder. Kaum hatten wir die Warnblink-Anlage aktiviert, hielt vor uns schon eine Auto-Transporter der die Havarie absicherte und uns mit geschulten Aktionen Huckepack nahm. Erstmals in unserem Autofahrer-Leben erlebten wir eine Fahrt in Schräglage. Sie fuhren uns direkt in Savona zu einem Reifen-Spezialisten, der uns gleich nach seiner Mittagspause sofort dran nahm: Das zweite Wunder.

Unsere Etappe dauerte so nur zwei Stunden länger als geplant. Wer weiß wie lange die Panne mit dem ADAC-Notruf gedauert hätte, und letztlich waren die 315 Euro, die diese prekäre Situation insgesamt gekostet hat, nichts gegen unsere Unversehrtheit.

Und versäumt haben wir letztlich auch nichts, denn unsere Zweitheimat empfing uns lausig kalt...

Da Erminia, Verdabbio, CH Tel. 00417957295 43, daerminia@bluewin.ch