Montag, 16. Mai 2022

Die wundersame Vermehrung der "F***-Schachteln"

Wir haben alles perfekt vorgefunden. Deshalb der erste Brief 2022 schon heute!

Mein vor leider mehr als 20 Jahren verstorbener Freund Rainier verlebte seine letzten Jahre an der Cote D'Argent unweit von Bordeaux. Er konnte sich fürchterlich über die Camp-Mobile aufregen, die in die naturgeschützte Dünen-Landschaft vordrangen, damit sie es näher an die abgelegeneren Strand-Abschnitte hatten. Weil zur selben Zeit die Gunst-Gewerberinnen zunehmend in ganz Deutschland - um die Straßenprostitution zu umgehen - ihren Beruf aus solchen Gefährten ausübten, nannte Rainier sie Hasserfüllt "F***-Schachteln".

Quelle:welt,de

Als wir gestern zurück nach Italien fuhren, war der Gegenverkehr auf der gesamten Strecke enorm dicht, während wir zügig und ungestört vorankamen. Wir hatten die Muße auch ein Phänomen zu beobachten, das seine Initial-Zündung wohl durch die pandemischen Beschränkungen der letzte beiden Jahre erfahren hatte:
Noch nie hatten wir zuvor unterwegs gegenüber und vor uns derart viele und vor allem hochwertige Camp-Mobile gezählt. In den alten Jargon Rainiers verfallend, stieß ich zum Erstaunen meiner Fürsorglichen den Satz aus: Da scheint ja offenbar die ganze Welt in "F***-Schachteln" unterwegs zu  sein.

Fast so lecker wie Hummer:
In Olio verde geschmorte
Capelunghe-Muscheln
Quelle: tripadvisor


Meine Frau hätte nicht so viele Beinamen, ginge ihr nicht sofort wieder eine Erläuterung von den Lippen:
"Neben diversen Impfstoff-Erfindern, Masken-Herstellern waren die Verleiher und Produzenten von Campern vermutlich die einzigen Tourismus-Profiteure. Denk nur mal - die Hotels geschlossen, keine Restaurants, nur eingeschränkter Flug-Betrieb - da war so Komfort-Schneckenhaus schon eine Super-Sache, um doch unterwegs zu sein. Muss ich dich wirklich daran erinnern, welchen Reise-Spaß wir vor 50 Jahren mit dem Westfalia-VW-Bus deiner Eltern bei unserer Europa-Rundreise hatten? Capelunghe bei bei Port LaNouvelle direkt am Strand gekocht. - In Rom parallel zur Via Veneto zur luxuriösen Abwechslung vor unserem Hotel geparkt, und als in San Sebastian der Regen-Sturm alle Zelte weggeschwemmt hatte, saßen wir bei Musik gemütlich im Trockenen und haben Mau Mau gespielt.."

Quelle: autobelle.it
Sie hatte ja recht. Da bekam ich auf einmal Sehnsucht nach der Reise-Unabhängigkeit von damals. Heute sind das ja rollende Luxus-Appartements auf kompaktem Raum- Da könnte man auch im Alter  schon noch einmal Lust aufs Vagabundieren bekommen. Ein Haus im Ausland zu haben, bindet einen schon sehr. Aber dieses Gefühl verfliegt dann recht schnell, wenn wir wegen der pandemischen Bewegungslosigkeit allerdings mehr schnaufend denn je im Licht der Nachmittagssonne auf der Piazza Castello vor Casanna stehen...



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen