Sonntag, 31. August 2014

Alles eine Frage der Perspektive

Morgen - so sagen die Meteorologen - ist Herbst-Anfang. Vielleicht sollten sich die Wetterfrösche wieder daran gewöhnen, dem kalendarischen den Vorzug zu geben. Denn hier steht die erste Septemberwoche, voll im Zeichen des Sommers. Die Vorhersage sieht Temperaturen vor, wie sie der gesamte August und auch der Juli nur teilweise bereit gehalten haben.

Unseren Gastgebern, aber auch den Deutschen im Schluss-Spurt der Ferien kommt das gerade recht, denn traditionell ist ja dieses Wochenende der Höhepunkt der Ferragosto-Riten. Was bedeutet, dass der Italiener per se und seine europäischen Epigonen im dolce far niente sich in eingeölte Sardinen verwandeln und  nur dann zufrieden sind, wenn sie alsbald Hüfte an Hüfte mit wildfremden, triefenden Mitmenschen auf lettini unter Sonnenschirmen zu horrenden Mietpreisen schwitzen. Nicht ohne sich zuvor noch bei den wenigen Parkplätzen auf Goldpreis-Niveau abzocken zu lassen...

Gerade noch mit den Bildern von den Vertriebenen und Ausgebombten in Syrien, im Gaza sowie dem Irak beschäftigt, wo Menschen unfreiwillig solche Enge ertragen müssen, denkt sich unsereiner - privilegiert und vielleicht auch ein wenig hochnäsige - gut, dass uns dieser Zwang am Strand erspart bleibt...

Pustekuchen! Just an diesem denkwürdigen Tag ruft Alborello an, - der Socio, der sich um mein Fischerboot kümmert, das bald genauso betagt ist wie ich,. Nach dreimonatiger Beschaffung von winzig kleinen Ersatzteilen wäre jetzt endlich die Probefahrt zur Reparatur-Abnahme möglich. Zum Boot zu kommen, ist da ja noch leicht, denn wir dürfen für kurze Zeit auf der Mole parken. Aber eine kurze Zeit ist für die "Zweitbeste" ja immer noch zu lang. Sie geht lieber durch die Marktstände der anstehenden Sagra di San Lorenzo und vergisst die Zeit. - Was ja nicht so schlimm wäre, wenn sie ihr Handy dabei hätte.

Jedenfalls muss ich meinen gesicherten Parkplatz verlassen, ehe die Carabinieri mir und dem geduldigen Hafenmeister Ärger machen. Weit und breit kein regulärer Parkplatz in Sicht. Ich rufe die "Zweitbeste" an, lande auf der Mailbox und drehe eine Runde um den alten Ortskern. Da ahne ich noch nicht, dass das eine Never Ending Story werden sollte.

Es ist heiß. Alborello, und ich hatten auf dem Meer gerade noch darüber schwadroniert, wie angenehm der Nachtschlaf in diesem August gewesen sein, und was doch die Feriengäste für ein Pech mit dem Wetter gehabt hätten. Früher als sonst seien aber dadurch jetzt schon die Fische da. Vier Lampuge und neun Naselli habe er am frühen Morgen gefangen. 

Ich wäre jetzt schon froh, wenn ich nur einen ganz klitzeklitze kleinen Parkplatz ergattern könnte. Bei der neunten Runde und nach dem zwanzigsten vergeblichen Anruf wird mir langsam klar: Die Königin des Vergessens hat ihr Handy nicht dabei und wohl obendrein mit irgendeiner zufällig getroffenen Bekannten die Zeit verratscht.

Ganz hinten - fast schon in der Nachbargemeinde - ergattere ich nach beinahe zwei Stunden an einem staubigen Bauzaun einen gebührenpflichtigen Parkplatz und mache mich in der Gluthitze des August-Nachmittags auf zu unserer Lieblingsbar (offseason versteht sich!). Ich finde sie zunächst nicht. Im Herbst stehen am Strand ein paar Schirme, aber die Terrasse ist voll belegt. Jetzt sitze ich dort allein. Die "Zweitbeste" ist nicht da. Irgendwo da vorne müsste eigentlich das Meer sein, wenn man es sähe. Aber das geht bei voll besetzten Fünfer-Reihen unter aufgespannten Sonnenschirmen rund um die Bucht nicht.

Ich habe noch Alborellos Mitgefühl mit den armen Feriengästen im Ohr: Wann sollte man sie mehr bedauern? Bei schlechtem Wetter oder im tausendfach geteilten Hochsommer?

Es ist alles eine Frage der Betrachtungsweise oder gar der Perspektive. 

Heute bei unserem Stamm-Restaurant am alten Hafen von Oneglia weht durch die Arkaden eine angenehme Brise, und es flanieren vor allem junge Paare mit Kleinkindern, die in der Hitze vielleicht quengelig würden. Die Atmosphäre ist heiter und entspannt  - wie in einem italienischen Film der fünfziger Jahre. Beim Servieren ist so wenig los, das wir unseren Stamm-Ober sofort vermissen. Einen mehrsprachigen Bullen vom Typ Türsteher, den wir für das Urbild eines Italo-Machos gehalten haben...

Vom Padrone hören wir, dass er sich bis Dezember abgemeldet habe: Wegen eines humanitären Freiwilligen-Einsatzes in Afghanistan. Der dort nämlich Gebürtige hilft,  am Hindukusch Zerstörtes wieder aufzubauen.  

Wir werden ihn beim nächsten Mal mit ganz anderen Augen aus einer vollkommen neuen Perspektive betrachten. Ist eben alles eine Frage der Perspektive...

Donnerstag, 28. August 2014

"Hummage" an ein Krustentier

Mit Bildern auf Bestellung halte ich es genauso wie mit Witze Erzählen auf Kommando: Ich mag es einfach nicht, und es müssen schon die besten Freunde sein, wenn ich dann doch mal nachgebe. Die neapolitanisch-deutsche Nachbarin Petronella, die zum Geburtstag immer mal wieder ein Bild nach meinem Gusto gemalt bekommt, lag mir seit Jahren in den Ohren, sie hätte gerne für ihre Küche endlich einen Hummer auf schwarzem Grund.

Den hat sie jetzt bekommen, weil sie mein schlechtes Gewissen gegenüber diesem Krustentier kennt. Ihr seht es jetzt hier anstelle des sonstigen Aquarells, damit ich meine Schuld als einer der größten Fressfeinde des Hummers wieder ein wenig abtragen kann.

Mein Lebenslauf ist geprägt von schier unglaublichen Hummer-Orgien und einem permanent wachsenden Bedürfnis nach Ausgleich. Deshalb habe ich schon vor langer Zeit damit begonnen, für jedes Tier, das ich verzehrte, eines zu malen. Das begann allerdings erst in dem Jahr, in dem ich versucht hatte, in meinem Garten-Teich australische Süßwasser-Hummer anzusiedeln. Das waren wirklich niedliche Exemplare von denen eines dreimal soviel kostete wie ein für den Verzehr bestimmtes Tier. Leider konnte ich da nicht ahnen, dass das Entenpärchen, das jedes Jahr seinen Nachwuchs in unserem Garten aufzog, meine Leidenschaft für diese Krustentiere teilte. Ehe ich mich versah, verschmatzten sie die armen Tierchen und verfütterten sie auch an ihren Nachwuchs.

Die zweite tragische Begebenheit traf meinen Vater, der bei einem von mir zubereiteten Weihnachtsessen beinahe an einem Hummerstück erstickt wäre, dass die Internationale der Krustentiere eigentlich als Rache für mich vorgesehen hatte. Schon deshalb malte ich fortan jedes Hummerbild ("Hummagen" als Hommage) mit besonderer Demut und verteilte sie auch weltweit, in der Hoffnung ungestraft davon zu kommen.

Bei den Simpsons gibt es eine Folge, in der Homer unter Tränen aber mit großem Genuss einen lieb gewonnenen Hummer verspeist. Da erkenne ich schon ein paar Parallelen. Mir tat es auch jedes Mal leid, wenn ich die Tiere kopfüber ins kochende Wasser warf. Es wäre aber gelogen, wen ich das als Grund aufführte, sie selbst nicht mehr zu zu bereiten. Der wahre Grund ist, dass die Internationale doch noch einen Weg gefunden hat, sich an mir zu rächen: Durch Gicht-Anfälle und Nierensteine aufgrund des Purin-Gehaltes von Hummerfleisch...

Aber ich bin ja auch nicht alleine Schuld gewesen (das behaupten Unholde immer). Es gab auch diese verführerischen Momente, gegen die man sich nicht wehren konnte:

Auf Valencia Island in Irland waren meine Frau, meine Schwiegermutter und ich einmal wegen anhaltenden schlechten Wetters (!?) die einzigen Gäste in einem Grandhotel. Wir hatten mit Abendessen gebucht. Ob wir etwas dagegen hätten wenn als "Catch of the Day" ohne Aufpreis Lobster serviert würde? Und dann kam für uns drei ein Ungetüm an den Tisch, dessen Zangen alleine schon Fleisch eines Kilo-Hummers hatten.

Auf Rodrigues im Indischen Ozean gibt es im Korallen-Shelf einen hüfthohen Kanal, aus denen bei Ebbe die lizenzierten Fischer quasi die Hummer pflückten, die sie dann auch selbst an Ort und Stelle bis zum ermatteten Abwinken in einer Kokos.Chilly-Sauce zubereiteten und servierten.

Und selbst im noblen Boston konnte ich nicht nein sagen, denn das "Legal Seafood"-Restaurant serviert im Ambiente einer Fischhalle so genannte Lobster-Platters. Fünf pfundschwere, megafrische Hummer mit Baguette und Knoblauchbutter. Allerdings mit der Herausforderung, wenn du zu zweit zwei schaffst, bekommst du eine dritte gratis. Wenn du fünf schaffst, zahlst du gar nichts und kommst auf die Ehrentafel. Auf der standen noch keine deutschen Gäste...Allerdings dürften die Betreiber durch unsere Champagner-Rechnung mit einem blauen Auge davon gekommen sein.

Ich bin da nicht stolz drauf. Vor allem im Rückblick ist mir das jetzt beim Schreiben doch peinlich. Auch wenn ein weiterer Verführer, Alf Ramsey, Lobsterkönig von South Australia, mich mit seinem Spruch bestätigte, den er immer anbrachte, wenn ihn jemand danach fragte, wie er seinen Hummer am liebsten äße:
"The only way I like Lobster is with more Lobster!"

Nach dem Motto werde ich zumindest meine "Hummagen" weiter malen - wenn ich die Viecherl schon nicht mehr essen darf... 

Dienstag, 26. August 2014

Komische Wiederholungen

Normaler Weise zappen die "Zweitbeste" und ich sofort weiter, wenn das Werbefernsehen kommt. Seit sich die Sender jedoch offenbar zeitlich mit ihren Unterbrechungen abstimmen, resignieren wir immer häufiger und werden durch die permanenten Wiederholungen der Werbe-Botschaften konditioniert. 

Mit komischen Folgen:
Seit da in einem Spot ein junges Pärchen in einem Auto mit gesprochener e-mail-Wiedergabe fährt, hat sich dieser eine Satz in unsere Gehirne gehakt:
"Deine Eltern sind ja auch irgenwie komisch!" Sagt der junge Mann.

Nicht, dass wir uns diesbezüglich hinterfragen, ob wir als Eltern komisch sind. Nein, keiner von uns beiden kann seither noch das Wörtchen "komisch" aussprechen, ohne dass der andere dieses Wort erheblich in die Länge gezogen wiederholt. Ein dümmlicher Wiederholungseffekt, aber lachen tun wir dennoch jedesmal.

Bei mir führt das selbstkritisch zu der Frage, ob wir komisch finden, wenn sich etwas wiederholt, oder ob Wiederholungen uns einfach nur geistig abstumpfen.

Für erstere Überlegung gibt es ja vor allem das Beispiel "Dinner for One", das sich die meisten von uns jedes Jahr an Silvester wieder reinziehen, um immer wieder an den gleichen Stellen zu lachen. In grauer Vorzeit war ich mal ein gefragter Witze-Erzähler, seither muss ich im langjährigen Freundeskreis immer wieder die gleichen Witze vom Huber-Bauern erzählen, damit die sich wie vor vier Jahrzehnten vor Lachen ausschütten können. Nun bin ich mit neuem Repertoire äußerst vorsichtig... Habe aufgehört, der Pausen-Clown zu sein.

Selbst hier auf der Burg ist das Leben eine schier endlose Wiederholung von Vorgängen, die uns erheitern, die wir komisch finden:

Wenn beispielsweise unser Nachbar Vittorio pünktlich über die Piazza schleicht, um die Happy Hour bei seiner ehemaligen Geliebten und immer noch Angebeteten unten in der Bar Girasole zu verbringen. Dabei schmunzeln wir gewiss nicht  über den von den Folgen eines Aneurismas betroffenen Freund, sondern über seinen Kater Lazaro, der ihm wie ein Hündchen brav an den Fersen bis zur ersten Stufe der Treppe folgt und da mit einem beleidigten und auch vorwurfsvollen Maunzen sitzen bleibt, bis sein Herrchen außer Sichtweise ist. Seine Maunz-Mimik ist echt komisch!

Don Mario, der letzte  aus der Reihe der Hundertjährigen Geschwister, hat auch so ein komisches Ritual. Unter dem Torbogen zum Burgplatz hat er ein Gewölbe, in dem er sein Holz und andere Versorgungsgüter lagert. Das Gewölbe hat kein Schloss. - Nicht etwa weil ich, der von Gott ausgemachte Schlüssel-Dieb, ihn entwendet hätte. Mario hat die Tür schon immer mit einem dicken Faden - als Achten um zwei Nägel gewickelt - sorglos verschlossen. Wenn ich auf der Piazza sitze, dreht er sich verhuscht um, als könne ich die Kombination seines geheimen Safes ausspähen. Wenn er in seiner Remissa alles an seinem Platz gefunden hat, schickt er mir auch heute noch, da sich unser Verhältnis erheblich verbessert hat, einen triumphierenden Blick zu. Gerade dadurch, dass sich das immer auf gleiche Weise wiederholt, finde ich das komisch. Und deshalb schenke ich Mario ein heiteres Lächeln über die Piazza, das er mit einer verschmitzten Burggeist-Grimasse erwidert.

Die "Zweitbeste" und ich können auch davon ausgehen, dass die Zahl von Signora Electras Versuchen, uns nachhaltig für il Signore zu gewinnen, identisch ist mit der zur Zeit nicht endenden Zahl der von ihr überreichten Gurken. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik, aber wir würden nicht auf die Idee kommen, uns damit über unsere Nachbarin lustig  zu machen, denn Wiederholungen haben eben auch tragische Schatten-Effekte.

Gestern gerade habe ich - quasi als Initial-Zündung für diesen Text - Heinrich August Winklers zweiten Band zur  "Geschichte des Westens" zum wiederholten Mal nach kurzem Weiterlesen aus der Hand gelegt. Da vergeht einem jeder Sinn für Komik bei Wiederholungen, denn gerade beweist der Westen zum wiederholten Mal, seine Hilflosigkeit gegenüber Diktatoren, Despoten, Tyrannen und Terroristen. Man könnte meinen, die Abstumpfung bei sich wiederholenden Signalen der Geschichte folge einem höheren Plan. Und das - liebe Leser - ist gar nicht komisch.

Freitag, 22. August 2014

Die "Babylonische Gefangenschaft" in der Ära Google

Als kleiner Junge in der Vor-Lego-Zeit hatte ich wunderschöne Vollholz-Bauklötze, die farbig lackiert waren. Mein Ehrgeiz war es, sie mindestens so hoch aufzutürmen, dass sie meine Körpergröße erreichten: drei Käse hoch also. 

Da die Zahl meiner Bauklötze begrenzt war, ersann ich immer neue Fundamente und fragilere Konstruktionen um den Turm höher zu machen. Wann immer aber ich das Ergebnis meiner Baumeister-Tätigkeit stolz meinen Eltern zeigen wollte, konnte ich sicher sein, dass eine meiner um einiges älteren Schwestern aus Versehen dagegen stießen...

Als die alttestamentarische Infiltration der Volksschule beim Turmbau zu Babel anlangte, hatte ich längst kapiert, dass wo einer einen hohen Turm baut, immer auch einer in der Nähe ist, um ihn zum Einsturz zu bringen. Wobei Jehova eben mit der Sprachverwirrung den nachhaltigsten Schaden angerichtet hat.

Schon im toskanischen San Gimignano der Renaissance passierte etwas, das mit Fug und Recht dem Schwanzlängen-Vergleich von Machos gleich gesetzt werden kann: Ich habe den Höheren (Längeren). Ergo bin ich reicher und mächtiger als du!

In New York setzte sich das bis zum Einsturz der WTC-Towers fort, was dann als Willen Allahs mit endlosem Blutvergießen bis heute propagiert wird. Besteht da ein psychologischer Zusammenhang, dass nun mit dem Burj Khalifa in Dubai und dem Mecca Clock Tower Hotel zwei der höchsten Gebäude in diesem Dunstkreis stehen, und mit dem Kingdom Tower im saudiarabischen Dschidda erstmals die 1000m-Marke übertroffen werden soll???

Die Botschaft ist klar: Unser Gott ist viel größer als Eurer, und wir sind viel reicher als alle. Deshalb finanzieren wir auch die IS-Terroristen, auf dass sie einen Gottesstaat von grausamer, mittelalterlicher Realität schaffen.

Wenn zwei wechselseitig die gleiche Sprache des jeweils anderen sprechen, heißt das in diesen Zeiten aber noch lange nicht, dass sie sich auch verstehen müssen - wie der Dialog Merkel-Putin drastisch zeigt.

Aber der Gott, der die Sprachverwirrung auf dieser Welt oder gar unsere "Babylonische Gefangenschaft" beenden könnte, heißt mit Sicherheit auch nicht Google. 

Sorry für diesen scheinbar unpassenden Querstrich in meiner Parabel, aber wenn die Computer-Algorithmen des Google-Übersetzers es nicht schaffen, die Hilflosigkeit gegenüber denen, die eine andere Sprache sprechen zu überbrücken, sind wir ja weiter von inobjektiven Dolmetschern  aus Fleisch und Blut abhängig. Wir können also niemals ganz sicher sein, dass in Verträgen, Abkommen und Resolutionen nicht ein verhängnisvoller Übersetzungsfehler die Menschheit ins Verderben führt...

Ein Beispiel von der Burg:
Da ich leider immer noch nicht gut genug Italienisch kann, um eine für geschäftliche Abschlüsse hier häufig erforderliche carta bollata aufzusetzen, baue ich mir Texte aus alten vertraglichen Vereinbarungen mit den neuen Fakten zusammen und gebe sie dann in das Übersetzungsprogramm ein. Zur Sicherheit formuliere ich aber das Ganze auch noch mal komplett auf Deutsch. Meine rudimentären Kenntnisse in der Sprache meines Gastgeberlandes lassen das meist nur so lange plausibel erscheinen, wie ich nicht den Fehler mache, den italienischen Text noch einmal zurück ins Deutsche übersetzen zu lassen. Das Deutsch, das dann dabei heraus kommt, lässt mich ahnen, dass das Italienisch ähnlich unverständlich ist. Gott oder Allah oder Google sei Dank, dass es bloß um eine Fassaden-Ausbesserung meiner mittelalterlichen Bruchbude geht. Nicht auszudenken, wenn die NSA meinen zusammen gestückelten Text falsch interpretiert und dadurch hier eine Belagerung des Borgos auslöste. 

Na, wenigstens haben die Bürger aller europäischer Nationen hier oben noch nicht mit dem Bauen von Türmen angefangen...

Mittwoch, 20. August 2014

Sarah!!!

Nicht wenige Leserinnen suchen meinen Blog nur auf, um sich in ihrer Ansicht bestätigt zu sehen, dass es sich bei mir um einen unverbesserlichen Frauenverächter und Macho handele. Das belege ja schon allein die Tatsache, dass ich mich "permannent" über meine Frau lustig mache. 

Und überhaupt: Diese Zurücksetzung, seine eigene Ehefrau lediglich als "Zweitbeste" zu bezeichnen, wo doch die Frau, mit der man eine Ehe eingehe, per se lebenslänglich nur die Allerbeste zu sein habe...

Und dass ich mich hier bei der Weiblichkeit - gleichgültig ob Berg oder Tal - exklusiv auf meine Wirkung als Babo Natale verlasse, sei ja wohl die allerletzte Tarnung. Keiner glaube doch noch an den Weihnachtsmann, einem zeit- und geschlechtslosen Oldie, der sich in einem verbogenen Raum-Zeit-Kontinuum von rotnasigen (natürlich weiblichen) Rentieren - auch wenn sie sich Rudolf nennen - übers Firmament ziehen lasse. 

Ihr lieben Blog-Suffragetten da draußen im Worldwide Web! Macht mir meine "Zweitbeste" nicht madig. Abgesehen davon, dass die keinen einzigen meiner Blogs liest, hat sie auch die beängstigend beeindruckende Fähigkeit des sofortigen Vergessens. Sie könnte - wäre sie empfindlich - von mir also gar nicht beleidigt werden oder es gar sein.

Ich möchte mich nicht groß rechtfertigen, aber vielleicht überzeugt die Tatsache, dass ich zwei der wählerischsten weiblichen Herzen des Borgos auf Dauer ganz von selbst und ohne besondere Verführungskünste für mich gewonnen habe:
Von Ginger habe ich ja schon geschrieben, aber dass die verhuschte Sarah nach verdrucksten Jahren unter herrischer Fuchtel, kaum dass sie das Haus verlässt, zu mir kommt, um sich entgangene Zärtlichkeiten ausgleichen zu lassen, sollte doch meine schärfsten Kritikerinnen verstummen lassen.

Sie lebt ja eigentlich mit Ina zusammen, aber das reicht ihr offensichtlich nicht. Da kann noch so streng "Sarah!!!" durch die Gassen gerufen werden. Sie gibt sich mir hin und vergisst alles, wenn ich ihre Ohren liebkose. Gerade Spaniel-Damen sind da ja - Zucht bedingt - sehr empfindlich.

Sonntag, 17. August 2014

Ein so weit kurzer Weg

Gestern humpelte der ewig junge und fitte Severino, unser ehemaliger Rosenzüchter aus Sanremo, an Krücken über die Piazza, um nach seinen Ferien-Appartements zu gucken. Auch nach den beiden kürzlich eingesetzten, künstlichen Kniegelenken, glaubt keiner, dass er bereits einiges über 70 ist. Aber er brachte die Urangst aller Burggeister zur Sprache: Was wird hier auf der Burg aus dir, wenn du nicht mehr richtig laufen kannst?Seit wir auf die Burg gezogen sind, beschäftigt uns diese Frage natürlich auch zunehmend. Zwar sind es nur etwa dreihundert Schritte vom Parkplatz zur Piazza hinauf, aber je nach Tagesform werden die von Jahr zu Jahr beschwerlicher, wenn sie sich auch noch nicht "vermehren" oder bereits zu längeren Pausen nötigen...Immerhin bin ich im Frühjahr mit einem gewaltigen Muskelriss verspätete angereist und habe seither schmerzhaft Stufen, Unebenheiten und veränderte Steigungen bemerkt, die ich früher gar nicht wahr genommen hatte.Die hier oben Geborenen können wir dabei für uns nicht als Maßstab nehmen. Sie haben sich eine ökonomische Gangart angewöhnt, die ich bei vielen Menschen in den Bergen beobachten konnte. An der Ausgezehrtheit der Männer allein kann es auch nicht liegen, denn die meisten Witwen lassen es sich wie Ina oder Marina recht gut schmecken und legen ganz schön Gewicht auf ihre Garten-Arbeit.

Ich habe den Verdacht, dass sie alle über das Bergauf und  Bergab gar nicht groß nachdenken. Sie haben keine Ahnung wie viele Schritte es rauf oder runter sind, weil ihnen ihr Leben hier oben diese diversen Gänge schon immer abverlangt hat. Solche Fahrstuhl-Weichlinge wie ich einer geworden bin, können sie nur müde belächeln.
Die "Zweitbeste" und ich gehen zweimal pro Woche unsere Frisch-Vorräte einkaufen. Mit diversen Fläschchen sind das dann rund 20
Kilo für mich und etwa die Hälfte für meine Frau, die nach oben geschleppt werden müssen. - Nicht immer trösten wir uns damit, dass uns das auf Dauer einen Rest Fitness bewahrt. Manchmal kommen wir ganz schön ins Schnaufen und nähern uns dem Zustand, in dem wir unser Jahrzehnte langes Wohlleben verfluchen könnten. Aber dann nehmen wir einen hoch geschleppten Schluck auf der Piazza oder auf der Terrasse, und sehen uns vorerst noch jedesmal nachhaltig belohnt.
Noch haben wir ja die Option, dass wir nicht in einem Stück nach oben stieren, sondern am Treppenabsatz oder vor der Steigung eine Verschnaufpause einlegen - wenn keiner guckt...
Kurioser Weise haben wir neulich festgestellt, dass das Runtergehen meist länger dauert. Wir gehen ja immer an Markttagen, an denen die Burggeister generell lebhafter sind. Das führt dazu, dass wir bereits am Ausgang von der Piazza von der Seelenfängerin  in ein Verhör über die beabsichtigten Einkäufe verstrickt werden. Wir haben uns angewöhnt, ihr Absichten über den Erwerb von Obst und Gemüse zu verschweigen, weil sie sonst sofort losgeht, um ihre Erträge mit uns zu teilen.
Auf halbem Wege lauert unser Burgnarr Camillo, weil er auf eine Mitfahrgelegenheit spekuliert. Leider schwört er - wie in den Burgbriefen bereits berichtet - auf eine Zahnhygiene mit spitzen Chill-Schoten, Knoblauch und Grappa, was ihm auf der Rangliste der Beifahrer keinen Vorzugsplatz einräumt. Selbst wenn wir heil an ihm vorbei sind, ist bestimmt Giovanna mit ihrem Falco unterwegs oder sitzt vor ihrem Haus am Einstieg zur Treppe. Ja, und dann kann am Parkplatz ja keiner einfach so kommentarlos in sein Auto steigen, wenn andere auch dabei sind, ins Tal zu fahren. Eine halbe Stunde hat letztlich der Weg zu unserem Auto gedauert. Wir haben deshalb die letzten Köstlichkeiten im Angelo di Pane von Oneglia verpasst. Spätestens ab 11 Uhr ist der kleine Laden immer komplett leer geräumt. Da hilft dann auch mein von den Damen hinter dem Tresen stets heiter bejubelter Sonderstatus als Babo Natale nichts. Bis Weihnachten ist ja meist noch lang hin

Mittwoch, 13. August 2014

Vollkommen vergurkt

Es stimmt traurig, wenn die Allmacht und Ohnmacht im ausgeliefert Sein bei Propaganda und Gegenpropaganda nicht nur den Putins und Erdogans dieser Welt in den Kram passt, sondern auch auf unserer friedlichen Burg ausgeübt wird:

Unser Nachbar, der Hotelier aus Rom, dem die Schlamperei bei der Versorgung mit Trinkwasser einen erheblichen Schaden als Vermieter von Ferienwohnungen beschert hatte, war Initiator einer mehrsprachigen Petition, die  - von den Burggeistern unterschrieben - die Gemeinde-Verwaltung veranlassen sollte, aufzudecken, wer für den Schlamassel verantwortlich war. Nicht aus Rachsucht, sondern um künftiges Ausbleiben  des Trinkwassers von mehr als 48 Stunden  in der August-Hitze nachhaltig zu verhindern. Ihm kann auch nicht vorgeworfen werden, er sei ein zugereister Meckerfritze, denn er ist hier auf der Burg geboren, und seine Mutter war im Talort eine geschätzte Gymnasial-Lehrerin.

Um es vorweg zu sagen: Nur ein geringer Teil aller Betroffenen hat unterschrieben, weil es der im Notfall noch so unendlich langsam reagierenden Gurken-Truppe blitzschnell gelungen war, die Verantwortung für ihr Versagen auf andere abzuwälzen. Denjenigen, die zuvor am lautesten gejammert hatten, leuchtete auf einmal ein, dass nur der Pool-Besitzer an der oberen Piazza mit seinem riesigen Wasserverbrauch schuld gewesen sein könne. Merkwürdig, dass dieser Vorwurf erst erhoben wurde, nachdem die Familie am Sonntag bereits abgereist war und sich dagegen  nicht mehr wehren konnte. Wie soll man beispielsweise der leichtgläubigen Seelensammlerin Electra, die sich weigerte zu unterschreiben, auch das Wirken einer umwälzenden Aufbereitungsanlage verklickern. Mehr als die Hälfte der betagten Burggeister, die ja auch Verwandtschaft mit Jobs in der Gemeinde haben, glaubt nun nämlich, dass das permanente Rauschen des Pools auch stetiger Trinkwasser-Verbrauch sei...

Eine Analyse zur Verbesserung wurde dadurch also vollkommen vergurkt, Was mich - auweia was für eine gewürgte Überleitung - zum angenehmeren Teil des Vergurkens bringt.

Noch nie - seit wir hier leben - hat es einen Juli oder August gegeben, in dem derart reichlich Wasser vom Himmel kam und die Nächte infolgedessen kühlen und angenehmen Schlaf bescherten. Alles blüht und steht in saftigem Grün. Die Gärten rund um die Burg sind geprägt von üppigster Gemüseproduktion.

Anscheinend ist ein Quantum des Wassers vor allem in die Freiland-Gurken geflossen. Nur, Gurken sind nicht so populär in Ligurien, und in solchen Massen schon gar nicht. Fast jeden Tag bekommen wir daher zwei bis drei von den grünen Riesen von unseren Nachbarn überreicht, die ja schon Probleme haben, ihrer zahlreichen monströsen Auberginen und Zucchini Herr zu werden.

Deutsche lieben doch Gurken! Und das tun wir auch, denn wer im Allgemeinen auf diese holländischen Treibhaus-Dinger angewiesen ist, hat ja längst verlernt, wie Gurke schmeckt. Aber jeden Tag Gurken-Salat ohne den hier unpopulären Dill? Da ist Kreativität gefragt.

Die Gurke gilt als schwer verdaulich und arm an Nährstoffen.  Vor allem, wenn sie aus optischen Gründen auch noch geschält wird. Dafür hat sie nur wenig Kalorien.  Das Universalmittel gegen vergurkte Langeweile heißt Konfektíonieren.

Hier und heute also zwei Ideen für Gurke als Vor- und Hauptspeise und - wie versprochen - eine weitere Drink-Variante für heiße Tage.

Mus oder Mousse

Zutaten:
Zwei große Freiland-Gurken, zwei mittelgroße mehlig kochende Kartoffel (ca. 250g), zwei weiße Zwiebeln, einen gehäuften Esslöffel getrocknete Dillspitzen (frischen Dill nur zum Abschmecken), zwei große Zehen frischen Knoblauchs, 20 Gramm klein gehackter, frischer Ingwer, einen gestrichenen Esslöffel grobes Salz, 40 Gramm Butter, 1 Liter Gemüsebrühe zum Angießen, reichlich Pfeffer aus der Mühle.

Zubereitung (erste Schritte auch für die Mousse):

Die geschälten  Gurken der Länge nach halbieren und mit einem spitzen Esslöffel komplett von den Kernen säubern. Dann in schmale Halbmonde in einen Topf schnippeln. Kartoffeln in feinen Würfeln hinzu sowie gehackte Zwiebeln, Ingwer und den Knoblauch. Auf niedriger Flamme mit der Butter gründlich unter Rühren anschmoren. Dann die Dillspitzen und Pfeffer sowie Salz hinzu geben bis der Schmor glasig wird. Nach und nach unter Rühren Brühe unterrühren und abschmecken, dass das nicht zu salzig wird. Immer wieder einkochen lassen und am Schluss einen Schuss süßen Essig zum Abrunden. Köcheln lassen, bis alles eine breiige Konsistenz hat.
Bis auf lauwarm abkühlen. Dann mit einem Löffel (oder einer "Flotten Lotte") durch ein feines Sieb passieren.

Das Mus schmeckt bereits lauwarm super, aber es gewinnt, wenn es eine Nacht lang -  natürlich abgedeckt - kühl gestellt wird. Ohne weiteres Zutun kann es am nächsten Tag - mit Krabben oder gebeiztem Lachs belegt - als überraschende, gekühlte Vorspeise serviert werden.

Oder ihr macht aus dem Mus, indem man es mit einem Achtelliter Sahne schaumig unter Hinzugabe von frischem Dill, Estragon und Petersilie aufkochen lässt eine Gourmet-Süppchen mit pochierten Wachtel-Eiern.
Damit das Mus zur Mousse wird, braucht es mehr Steifigkeit. Zu erreichen entweder durch vorsichtige Hinzugabe von ein wenig Brei hälftig aus Pastinaken oder Kartoffeln oder indem es mit der aufkochenden Sahne weiter reduziert und dann mit dem Schneebesen aufgeschlagen wird. Ein ideales Bett für erwärmten, geräucherten Aal als Hauptspeise. Ganz genial aber extreme Geschmackssache: mit unter gehobenem, grob gehackten Matjes als leichtes Sommer-Essen.


Buon Appetito!


Und als Aperitif- um im Thema zu bleiben:

Datscha Daiquiri


Zubereitung:

Gurken so in Halbmonde schnippeln wie oben. Dazu eine klein gehackte Spreewald-Gurke, das Grüne vom Fenchel, Salz, weißer Pfeffer und Eis sowie einen Schluck vom Gurkenwasser. Das Ganze kurz durch den Mixer jagen, ins Cocktailglas schütten und mit Wodka aufgießen. Früher haben sich damit die KGB-Agenten in Deutschland gegenseitig zur Strecke gebracht. Ein totsicherer Ankommer: riecht nicht, schmeckt geil, macht nicht dick, aber schnell blau...

Nastrovje  на сдорове

Sonntag, 10. August 2014

Senza Aqua!!!

Laut UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sei jetzt mit dem Erreichen dieses Millennium-Ziels 89 Prozent der Weltbevölkerung der Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglicht worden. Die 11 Prozent Rest haben da allerdings nichts von. Wer Durst und eingeschränkte Hygiene persönlich erlebt, kennt solchen Schrecken. Die Qualen der Jesiden, die sich hoch ins Grenzgebirge zwischen dem Irak und Syrien vor den Irren des IS-Kalifats geflüchtet haben, könnten ein Klagelied davon singen, wenn wir sie denn hörten...

Wer hören will, muss fühlen! Ein alter Spruch und doch so wahr. Seit Freitag Vormittag gehören die Burggeister und ihre Gäste zu den 783 Millionen Erdenbürger, die keinen Zugang  mehr zu ihrem ansonsten sensationellen Quellwasser haben. Allerdings leiden wir auf einem recht hohen Niveau, und deshalb möchte mir diese Satire nicht so recht aus den Tipp-Fingern fließen.

In Ferragosto-Vorfreude haben die Wasserwerker der Gemeinde einfach mal vergessen, zu überprüfen, ob hier oben die Reservoire für die sich in dieser Zeit verdoppelnde Burg-Bevölkerung auch im ordentlich gefüllten Zustand befinden... Oh Schreck! Da waren sie plötzlich leer. Langjährige Bewohner sind das ja aus der Vergangenheit gewohnt gewesen. Aber wie verklickert ein Vermieter das, der sein Appartement Romantikern für bis zu 500 Euro pro Woche  auslobt? Da ist schnell Schluss mit mittelalterlichen Gefühlen, wenn Dusche und Klo nicht funktionieren...

Also kommt es zum Aufstand der Burgherren. Großes Palaver auf der Piazza, in dem die Schuldige schnell gefunden ist: Die frisch wieder gewählte Bürgermeisterin. Die Syndaca macht ihrem Ruf, von bestechender Schönheit, aber auch von arrogantem Interesse zu sein, sogleich auch alle Ehre. Die Revolution in ihrem Hoheitsbereich dauert noch keine zwanzig Minuten, da erscheint sie bereits im schulterfreien "Kleinen Schwarzen", das herrlich ihre dunklen Locken und schneeweiße Rundungen zur Geltung bringt. Begleitet wird sie von einem Maresciallo in frisch gestärkter und gebügelter Sommer-Uniform, der rhythmisch zu den salbungsvollen Worten der "Spitzen-Politikerin" nickt. Dann sind beide auch schon wieder verschwunden und überlassen die Lösung des Problems den schlecht bezahlten Gemeinde-Mitarbeitern, die - wie sich heraus stellt - keine Ahnung haben, wieso die mittlerweile wieder gefüllten Reservoire ihren Inhalt nur tröpfchenweise und dann gar nicht mehr an die Bevölkerung hier oben abgeben (derweil laufen unten im capo luogo die Vorbereitungen für die zwei großen Sommerfeste an diesem Wochenende, und auch die Kirche führt ihre servizii unverdrossen fort - schließlich steht ja la notte di San Lorenzo bevor).

Der ausgedörrte Blogger
 im letzten Hemd mit Hose
an der ausgetrockneten Fontana
 - die Waschmaschine geht natürlich
 auch nicht!
Wie sehr der Wassermangel auch dem Gehirn
 zusetzt,veranschaulichte mir die
"Zweitbeste". Meinte sie doch allen
Ernstes:"Für das Foto kannst du
aber das süße Zeugs nicht
nehmen. Das ist doch der Spumante
zum Kochen....
"Reiß mir nicht die Bällchen aus!", beschwert sich der Technik-Veteran Pierino in meiner abgemilderten Übersetzung, als er am Abend von einigen aufgebrachten Burggeistern getadelt wird, wieso er bei eben diesem Dorffest ungerührt beim Wein säße. Als einzige Sofortmaßnahme stellte die Freiwillige Feuerwehr einen Tankwagen unten an den Borge, den die vigilii del fuoco am liebsten gleich wieder weg gefahren hätten, weil sie befürchten mussten, die Bevölkerung tränke seinen Inhalt.

Stand der Dinge: Mehr als 48 Stunden sind wir ohne Wasser. Ich habe meinen "Mitleidenden" vorgeschlagen, dass wir das Darben in eine Solidaritätsveranstaltung für alle die im Gaza, in der Ukraine oder im Irak auch kein Wasser haben, umwidmen. Aber davon wollten die meisten nichts wissen. Sie wollen lieber zu San Lorenzo In Horto hinunter pilgern wo es heute Speis und Trank gratis auf Kosten der Gemeinde gäbe. Panem et circenses also. Bei 30 Grad kann man sich gut vorstellen, in welcher Dunstwolke das ganze stattfinden wird, und wie sich die Gläubigen dann wundern, wenn sie nach der schweißtreibenden Landpartie feststellen müssen, dass immer noch kein Wasser für eine erlösende Dusche da ist. Glaube versetzt vielleicht Berge, aber er lässt offenbar die Wasser nicht fließen.

Wie gesagt, wir jammern und dürsten auf hohem Niveau. Im Gegensatz zu allen Flüchtlingen dieser Erde bräuchten wir doch nur ins Auto zu steigen um ans Meer hinunter zu fahren. Aber die "Zweitbeste" und ich sitzen das aus, waschen uns und spülen unsere Toilette mit San Benedetto Naturale bis die happy hour heran bricht (die wir bei diesen Temperaturen vermutlich vorverlegen). Es war schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben
Wein und Bier reichen noch für mindestens zwei Tage...

Freitag, 8. August 2014

Ernte-Zeit

Donna Ina ist ein Phänomen. Sie lässt mich einmal mehr darüber nachdenken, wie nicht nur in den vom Krieg erschütterten Regionen des Orients Frauen unterdrückt werden.  Auch im angeblich so emanzipierten und aufgeklärten Alltag des modernen Europas werden Frauen in ihrer Agilität und der Entfaltung eigener Fähigkeiten gebremst. Je mehr Witwen und allein stehende Frauen in meinem "sozialen Umfeld" selbstbewusst die Oberhand gewinnen, desto mehr befürchte ich, dass vielleicht auch ich der "Zweitbesten" in dieser Beziehung nicht der "allerbeste Ehemann von allen" bin, weil ich nach meiner beruflichen Hektik ihrer Lust, etwas zu unternehmen, nur zögerlich folge. Frauen sind offenbar besser geeignet auf der Zielgeraden  eine noch reichere Ernte ihres Lebens einzufahren.

Unsere Nachbarin Ina belegt meine These. Bis ihr Mann vor zwei Jahren kläglich an Krebs starb, war von ihr kaum etwas zu bemerken. Ihre Spaniel-Dame Klara war ein verhuschtes Wesen, das sofort davon rannte, wenn es nur angesehen wurde. Heute holt sich Klara, die wohl die Mangeljahre ausgleichen will nicht nur von selbst Streicheleinheiten ab, sondern nimmt auch mal ein Leckerli an, bevor sie mit ihrem mittlerweile 74.jährigen Frauchen durch den Borgo tobt.

Ina spricht Speis und Trank zu, als gäbe es kein Morgen, und beim nachbarschaftlichen cena in piazza überhäuft sie alle, die sie sich früher wohl nicht anzuschauen getraut hat, mit selbst gebackenen Kuchen und Spezialitäten ihrer casareccia Kochkunst. Sie nimmt in jeglicher Beziehung anteil am Leben hier oben, obwohl sie unten in der Stadt eigentlich ihren Hauptwohnsitz und ihre Restfamilie hat. Mühelos schlüpft sie von der elegante Städterin in ihre Rolle als Landfrau.
Ganze Tage verbringt sie in ihrem horto und abends geht sie in die Dorf-Bar, um mit den anderen Witwen bei Signora Girasole Karten zu spielen. Sie hat eindeutig ein "grünes Händchen", und wir kommen dadurch in den Genuss bester und frischester Garten-Produkte. Zur Ernte-Zeit hängt beinahe täglich eine Tüte mit Salat, Kohl, Bohnen, Zucchini, Gurken oder Früchten an unserer Haustür. Natürlich versucht die "Zweitbeste" mit kleinen Gegen-Geschenken die banca di favore, die Gefälligkeitsbank, in ausgeglichener Bilanz zu halten, aber das wäre gar nicht nötig. Im urchristlichen Sinne wird hier geteilt, was überreichlich vorhanden ist - sofern die Wildschweine nicht einfallen. In Tränen war die ihr neues Glück permanent ausstrahlende Ina neulich, weil die immer unverschämter werdenden Borstenviecher aus der Schutz-Zone in einer Nacht ihre gesamte Trauben-Ernte weg genascht hatten.

Beim letzten gemeinsamen Abendmahl auf der Piazza saß sie neben mir und meinte, was die "Zweitbeste" und ich doch für ein nettes Paar seien, und in einem Nebensatz, dass sie manchmal tatsächlich ihren marito vermisse. Ja, so sind wir Ehemänner. Wir wirken über den Tod hinaus - auch wenn wir vielleicht nicht die "Allerbesten" waren...

Sonntag, 3. August 2014

Gelindes, grünes Gift

Um es gleich vorweg zu sagen: Mit Kult-Köchen verhält es sich wie mit Bundestrainern. Auf einen kommen Tausende, die es besser wissen und sofort besser könnten. Also ließe mir Tim Raue, der geniale Küchenmeister aus Berlin - wenn er es denn läse  - höchsten ein ignorantes Pobacken-Runzeln zukommen. Aber das sollte die Fans meiner mit einem Hummer geschmückten Burgbriefe nicht daran hindern, mir einmal mehr zu vertrauen.

Tim Raue also hat im SZ-Magazin dieser Woche seinen Gewürz-Sud für Schweine-Rippchen offenbart. Was mich in sofern erschreckt hat, weil er nahezu eine Gewürz-Kombination beschreibt, die wichtiger Bestandteil für eine Grill-Sauce ist, die im Familienkreis Papa's-Own genannt wird und zum Grillen geladene Freunde seit mehr als zwanzig Jahren an den Rande der Ekstase treibt. Verraten habe ich sie bislang nie, aber ehe die fatalen Fehler von Herrn Raue die Runde machen, bin ich geradezu genötigt, solchen Unterlassungen Einhalt zu gebieten. Ich darf das, weil ich weiß, dass Raue seine Anregungen in erster Linie seinen Reisen nach Japan und China verdankt, aber ansonsten an meine um Jahrzehnte längere und weltweite Topfguckerei nicht heran reicht.

Zunächst: Raue benutzt seine perfekt abgestimmte Sauce, um die Rippchen darin zu köcheln. Aus dem angefetteten Sud macht er dann ein Vorweg-Süppchen. Dann grillt er die durchgekochten Rippchen noch einmal. Ja weiß denn der Küchenmeister nicht, dass Rippchen und Bauchfleisch vom Schwein am ehesten an perfekt gegrilltes Menschenfleisch heranreichen, wenn sie ohne Vorbehandlung auf den Grill kommen? Dieser Witz (bevor sich ein Leser vor Ekel übergibt) ist natürlich nur zu verstehen, wenn ich auch die Anekdote zu meinem Spruch "Super! Schmeckt fast wie Menschenfleisch!" zum Besten gebe:

Vor mehr als dreißig Jahren war ich vom Häuptling eines Aita-Stammes, schwarzer vom Tourismus vertriebener Ureinwohner, auf einer kleinen Insel des Philippinischen Archipels zum Dinner auf dem Boden seiner Hütte geladen. Ich verstand ihn nicht, und er verstand mich nicht, aber einer seiner Söhne sprach das geläufige Pidgin-English.

Auf Bananenblättern wurden Scheiben und Knöchelchen eines zoologisch kaum zu identifizierenden aber unendlich delikaten Fleisches gereicht. Es war im Bucanneer-Style auf Treibholz  und grünem Bananenlaub zur Hitzedämmung quasi gleichzeitig gegrillt, gedämpft und geräuchert worden - so ähnlich wie das die Hawaiianer in ihren Schmorgruben beim Luao oder Kailua-Pig machen. Es war saftig und rosé wie ein Steak, absolut frei von Fett und bezog aber seinen intensiven Geschmack aus einer Flüssigkeit, in die die Teile vor dem Knabbern getunkt wurden.
"What a glorious meat! Where is it from?"
"It's from our neigbours. We killed the pigs yesterday!", gab der Häuptlingssohn brav zur Antwort und verstand nicht, wieso ich schallend auflachte. 

Betretenes Schweigen. Mein Reisebegleiter musste die Doppeldeutigkeit erst erklären. Tatsächlich aber hatte ich nie zuvor Bauchfleisch und Rippchen dieser halbwilden und natürlich aufgezogenen Hängebauchschweine gegessen. Deshalb also  seither mein Spruch, der nichts mit Kannibalismus zu tun hat.

Costatine di maiale alla griglia con salsa "Papa's Own"

Zutaten:

20 Costatine. Die italienischen Metzger trennen die Rippenbögen einzeln, was das Grillen auf den Punkt erleichtert

Je 1 Süßwein-Glas normale und süße Sojasauce

4 Esslöffel Sesam-Öl aus geröstetem Sesam

Saft einer halben Limone

4 mittelgroße Peperoncini mit Kernen

1 Esslöffel braunen Melasse-Zuckers

1 Esslöffel Tomatenmark

Je 1 Teelöffel Cucuma  und Currypulver (wahlweise auch 2 Teelöffel Tandoori-Gewürz anstatt)

2 große und frische Knoblauchzehen

20 g grob gehackten Ingwer

1 Esslöffel fein gehackte, grüne Koriander-Blätter *


Zubereitung:  

Die Costatine so wie sie sind ,zum "Löffelchenliegen" auf den Grill und fürsorglich permanent wenden

Alle anderen Zutaten mit Ausnahme des Korianders nach dem Grad ihrer Trockenheit beziehungsweise Feuchtigkeit hintereinander unter vorsichtiger Zugabe von grobem Meersalz (auch Fleur de Sel) in einem Mörser zerreiben (mit einem hölzernen Kochlöffel in einer Tasse ist immer noch besser als im Mixer) bis eine dickflüssige Sauce entsteht. Erst dann nach Gusto den grünen Koriander* hinzu geben, der der Beize erst den Pfiff gibt.

Wenn die Costatine fettfrei und knusperig sind, einfach nur in Papa's Own tauchen oder darüber träufeln und das Fleisch sofort auf Rucola servieren.

* Grüner Koriander ist nicht jedermanns Sache. Das Gewürz muss man sich zunächst mit einem Hauch erarbeiten. Ich kannte - als ich als Kind nach Bayern kam - nur den harten Koriander auf bestimmten Bauernbroten, die ich zunächst deshalb nicht mochte. Da waren mein Schlüssel-Erlebnis beim Skifahren in Südtirol die Vinschgauer Bladln, in denen auch noch Kümmel verbacken wurde, den ich davor auch noch nicht mochte. In der Kombination mit Almbutter sind die echten "Bladln" mittlerweile mein Brotzeit-Highlight. 

Als ich  in der Nähe von Delhi von einem Hinduistischen Antiquitäten-Händler in sein Privathaus zu einem vegetarischen Dinner eingeladen wurde, kannte ich die "Petersilie des Orients" noch nicht und lud mir auf die Pappadums, die höllisch scharfen indischen Knusper-Pfannkuchen, genauso viel vom grünen Gift wie mein Gastgeber. Dieser seifige, ein wenig penetrante Geschmack war der absolute Horror, aber ich konnte ja nicht ausspucken. Also kaute ich mit extra langen Zähnen und schluckte brav. Das hatte den Effekt, dass meine Mundhöhle auf der Heimfahrt immer noch vom grünen Koriander erfüllt war, aber jetzt entfaltete er gedämpft sein Suchtpotenzial, dass leider daheim in Deutschland lange Jahre nicht zu befriedigen war. Auch hier in Italien züchtet unser Kräuter-Händler auf der Burg in seinem horto nur den Koriander für   die harten Samenkapseln. Bei jedem arabischen oder nordafrikanischen Gemüse-Laden in München gibt es den grünen jedoch das ganze Jahr hindurch. Die Chinesen verkaufen ihn sogar mit Wurzel, die sie gerne in der Suppe mitkochen lassen.

Freitag, 1. August 2014

Trivial gegen den Horror

Die Grenz-Debilität meiner Frau und meiner Wenigkeit offenbart sich immer häufiger dadurch, dass wir uns im von Wiederholungen geprägten Fernsehprogramm dieses Sommers vornehmlich Film-Schmonzetten heraus picken, die ein Happy-End haben. Wenn ein netter Hund vorkommt oder wie gestern Abend  ein süßes Baby, dann verdrücken wir Enkel-Losen schon mal ein Tränchen. Auch im Borgo hat die Zahl knuddeliger Hunde und spielender kleiner Kinder - Ferien bedingt - zugenommen, was seinen Heile-Welt-Charakter noch verstärkt.

Aber dann kommen ja nach den Schmonzetten immer Tagesschau oder Heute  und holen uns ganz schnell in die Realität zurück. Fast tausend Tote im Gaza-Streifen, unzählige von beider Propaganda Vernebelte in der Ukraine,  unkontrollierbare Opfer-Zahlen im Irak und Syrien aber auch aus Libyen hört der Nachrichten-Mensch nichts Genaues...

"Da sitzen wir und schauen uns diesen seichten Scheiß an, während die Welt aus dem Leim geht", stellte da die "Zweitbeste" in ihrer mitunter drastischen Sprache fest. Unser Nachbarin Paula hatte vor ein paar Tagen etwas Ähnliches gesagt, als wir bei einem Grill-Abend friedlich auf der Piazza saßen und es uns gut gehen ließen:
"Ich habe ein richtig schlechtes Gewissen, dass wir es so schön hier haben, während anderswo solche schrecklichen Dinge geschehen."

Der Blogger muss gestehen, dass ihm seit Wochen ähnliche Gedanken beim Schreiben seiner leichten, literarisch angehauchten Kost bremsen. Aber wenn ich nun gar nicht verstehen kann, wie junge Deutsche mit russischen Wurzeln vom Web angestachelt, ihr Leben in einem Konflikt riskieren, den sie aus Mangel an historischem Wissen gar nicht begreifen können? Aber wenn ich zum wiederholten Mal drastisches Unvermögen der "Weltgemeinschaft" beim Verhindern und Beilegen dieser wahnwitzigen Konflikte erlebe? Wenn ich dünne Nachrichten-Lagen journalistisch aufgebauscht erlebe, weil die "Wahre" ja zum Wohle der Einschaltquote an den Konsumenten muss? Was soll ich da denn dagegen halten, als ein paar Texte aus einem Dörfchen, das ja auch nicht immer in Frieden lebt?

Ich schlafe sehr schlecht in diesen Tagen, in denen der erste große Weltenbrand nur hundert Jahe her ist. Ich sehe dank meiner privaten historischen Studien und Erinnerungen wie sich die Geschichte nicht nur beispielsweise in der Türkei, diesem  so herrlichen Land, wiederholt: Ein Bild vom  Berliner Olympia-Stadion, der Keimzelle des Nazi-Wahns,bleibt mir im Kopf. Nur, dass es aktuell nicht mit Haken-Kreuzen beflaggt, sondern mit dem roten Halbmond-Banner zu Ehren der als sicher geltenden Präsidenten-Wahl Erdogans als "Wahl-Lokal" geschmückt ist. Erdogan, der noch als ein neuer "Führer" von sich Reden machen wird. Da bin ich mir sicher. Wieso waren eigentlich mehr pro palästinensische Demonstranten auf deutschen Straßen unterwegs als solche, die für die Juden eintreten, die unser Volk durch Mord und Vertreibung erst zu Israelis gemacht hat?

Bei mir hat sich ein Symptom zu einem Leitgedanken gefestigt, der leider immer wieder für das Scheitern von Demokratien sorgen wird - so humanistisch der Einzelne gestimmt sein mag:

Die Ohnmacht des Individuums manifestiert sich immer aufs Neue dadurch, dass es sich lieber vor eigenem Denken und Handeln nach einer Schein-Bequemlichkeit durch starke Führung sehnt.